Düsseldorf – Seitdem ist viel passiert: Bis heute wurden 35 – vorwiegend niederländische – Tatverdächtige festgenommen, die Fahndung intensiviert, Ermittlungen in den Großbehörden zentralisiert, Sprengtests an Geldautomaten durchgeführt und die behörden-, landes- und grenzübergreifende Zusammenarbeit ausgebaut. Nicht zuletzt hat die Polizei im Dezember 2022 eine individuelle Gefährdungsbewertung für die über 10.000 Automaten in Nordrhein-Westfalen erstellt.
Innenminister Herbert Reul bilanziert: „Wir werden besser, aber die Sprenger gefährden mit ihren Taten weiter akut Leib und Leben unbeteiligter Menschen. Noch immer fliegen zu viele Automaten in die Luft und reißen nicht selten Gebäudeteile mit. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es 83. Das ist ein Minus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – immerhin. Die Zahl zeigt aber auch: Ein Allheilmittel gegen diese moderne Form des Bankraubs wird es – wie bei anderen Kriminalitätsphänomenen auch – nicht geben. Es braucht viele verschiedene Maßnahmen, die ganzheitlich ineinandergreifen. Und es hilft zu verstehen, wie diese Sprengerbanden vorgehen. Die Agenda von BEGAS bleibt: Den Sprengern das Geschäft zu vermiesen.“
Leiterin von BEGAS ist Kriminaldirektorin Christa Lübbers. Sie ist seit fast 30 Jahren bei der Polizei und weiß, dass viel Durchhaltevermögen gefragt ist, um das Phänomen „Geldautomatensprengungen“ in den Griff zu bekommen: „Es geht darum, die Tatorte zu verstehen und die Spuren richtig zu lesen. Genauso müssen wir überlegen, wie wir gemeinsam mit den Kreditinstituten das Bargeld schützen und die Automaten so gesichert werden, dass die Täter erfolglos bleiben und es beim nächsten Mal gleich lassen.“
Meist kommen bei den Taten mehrere Ladungen Sprengstoff zum Einsatz. Dabei werden oft nicht nur die Automaten selbst, sondern umliegende Wohnhäuser und Ladenlokale mitbeschädigt. Bei Sachschäden bleibt es nicht immer. In den vergangenen zwei Jahren registrierte die Polizei in Nordrhein-Westfalen sechs leicht verletzte unbeteiligte Personen, die durch einen Schock zu Schaden gekommen sind.
Zusammen mit der niedersächsischen Polizei – die in ähnlicher Weise mit Geldautomatensprengungen zu kämpfen hat wie Nordrhein-Westfalen -, den Sicherheitsbeauftragten aus den Sparkassenverbänden in Nordrhein-Westfalen, der Targobank sowie der Bundesbank und der VdS Schadenverhütung wurden im April 2023 Testsprengungen an mehreren Automaten durchgeführt. Dabei ging es auch darum, passive Einfärbesysteme zu prüfen, die das Bargeld bei einer Sprengung unbrauchbar machen und als Raubgut kennzeichnen. In Nordrhein-Westfalen können sich Kreditinstitute fachlichen Rat der kriminalpräventiven Beratungsstellen der Kreispolizeibehörden einholen und mit ihnen gemeinsam überlegen, welche Sicherungsmaßnahmen für ihre Automaten sinnvoll sind. So hat sich die Zahl der verbauten Einfärbesysteme in den zurückliegenden 12 Monaten von zunächst fünf Prozent auf inzwischen 20 Prozent erhöht – Tendenz steigend.
Innenminister Reul freut sich über die gute Zusammenarbeit mit der Finanzwirtschaft an dieser Stelle: „Ich bin froh, dass viele Banken ihre Automaten aufrüsten. Die Sonderkommission BEGAS, das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen und die Kreispolizeibehörden stehen hierbei beratend zur Seite. Denn eines ist klar: Unsere Geldautomaten und das Geld darin sind kein Freiwild. Wir müssen schauen, was möglich ist, um Automaten robuster zu machen. Wir alle wollen und werden es den Tätern mit jedem Tag schwerer machen, Geldautomaten zu sprengen. Denn sichere Automaten bedeuten auch mehr Sicherheit für unbeteiligte Dritte.“
Seit Juni 2023 ist die Zuständigkeit bei den Ermittlungen auf die sechs Großbehörden der Polizei in Köln, Düsseldorf, Essen, Dortmund, Münster und Bielefeld gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen konzentriert. Durch die Bündelung von Kompetenzen und Spezialwissen wird eine Ermittlungsführung auf hohem Niveau in diesen komplexen Ermittlungsverfahren ermöglicht. Vor diesem Schritt war seit Mai 2022 die Spurensicherung bereits den 18 Kreispolizeibehörden mit Kriminaltechnischer Untersuchungsstelle (KTU) zugewiesen worden. „So geht sicher keine Spur verloren. Die Einbindung der KTU ist zum Standard geworden. Sie gewährleistet eine qualifizierte Spurensicherung an jedem Tatort. Dafür nimmt Sie den Tatort mit einem dreidimensionalen Laserscanner oder einer Drohne auf“, so Minister Reul.
Unter enger Begleitung der SoKo BEGAS wurde durch das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen eine landesweite Risikobewertung, eine Art „Risiko-Karte“, nahezu aller Geldautomaten in Nordrhein-Westfalen erstellt. Hieran können die Banken und andere Automatenbetreiber sehen, inwieweit ihre Geldautomaten gefährdet sind. Basierend darauf können weitere individuelle Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden. Faktoren wie zum Beispiel die Entfernung zur Landesgrenze oder zur Autobahn wurden in die Risikobewertung einbezogen.
BEGAS ist eine fünfköpfige Sonderkommission im nordrhein-westfälischen Innenministerium, die sich mit dem ganzheitlichen Ansatz zur Bekämpfung des Deliktphänomens der Geldautomatensprengungen befasst. Es geht darum, gemeinsam mit den Polizeibehörden im Land, den Kreditinstituten, den Behörden der Länder und des Bundes sowie insbesondere den niederländischen Polizeibehörden die Ermittlungen zu verbessern und Maßnahmen zu ergreifen, um Sprengungen effektiver zu verhindern. Der Einsatz der SoKo BEGAS wurde zunächst bis zum 31. März 2024 verlängert.