Krefeld – Fast 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg leben kaum noch Zeitzeugen, die aus eigener Erfahrung über den Nationalsozialismus berichten können. Viele haben in den vergangenen Jahrzehnten von ihren Lebensgeschichten im direkten Gespräch mit Jugendlichen berichtet. Diese Möglichkeit wird es bald nicht mehr geben. Die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen sowie die Vermittlung von historischem Wissen bleibt. Nur so können junge Menschen die Relevanz von Geschichte für die Gegenwart begreifen und einen Bezug zur eigenen Lebenswelt herstellen. Die NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld hat in Zusammenarbeit mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf nun mehrere thematische, ortspezifische und für eine junge Zielgruppe konzipierte Workshops erarbeitet. Diese können ab sofort kostenfrei gebucht werden.
Intensives Quellenstudium
In den vergangenen Monaten haben Daniel Simon, wissenschaftlicher Mitarbeiter der NS-Dokumentationsstelle Krefeld, und Milena Rabokon, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, diverse Akten in Archiven gelesen und mit Zeitzeugen gesprochen. Durch ihr intensives Quellenstudium, beispielsweise der Dokumente der Geheimen Staatspolizei in Krefeld, haben sie Grundlagenforschung betrieben, die weit über das Projekt genutzt werden kann. Für die Krefelder Workshops „Nur für Arier? — Sport im Nationalsozialismus“, „Auf der Fährte – Unangepasste Jugendliche in der NS-Zeit“, „Rädchen im Getriebe? – Schreibtischtäter in der NS-Zeit“ und „Was hat das mit mir zu tun? – Flucht und Migration in der NS-Zeit“ konzentrierten sich die beiden Historiker auf biographische Angaben. „Damit kann man besser an die Lebensrealität der heutigen Jugendlichen anknüpfen“, erklärt Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle Krefeld.
Biographische Vermittlungsarbeit
Die Workshops richten sich gezielt an die Mitglieder von Sportvereinen, Besucher der Jugendzentren, städtische Auszubildende und Mitarbeitende, aber auch landesweite Institutionen und Integrationszentren und weitere Interessierte. „Für Krefeld und Düsseldorf haben wir unterschiedliche Geschichten und Biographien ausgewählt. Es geht darum, eine Person besser kennenzulernen“, sagt Rabokon. Die grundsätzliche biographische Vermittlungsarbeit spiegelt sich auch im Arbeitsmaterial wider. „Wir haben Mappen zusammengestellt, in denen die Teilnehmer alle biographischen Informationen vorfinden“, so Simon.
In Workshops lösen die Teilnehmenden in Kleingruppen Rätsel und entschlüsseln Codes
Da es sich oft um „Täterquellen“ handelt, beispielswiese Verhörprotokolle der Geheimen Staatspolizei, mussten sie diese Dokumente entsprechend kritisch einarbeiten – so wie für den Workshop „Auf der Fährte – Unangepasste Jugendliche in der NS-Zeit“. Im Mittelpunkt steht hier das Leben Jugendlicher während des Nationalsozialismus wie auch in der Gegenwart. Während des Workshops lösen die Teilnehmenden in Kleingruppen Rätsel und entschlüsseln Codes. Ihre Ergebnisse stellen sie schließlich an Orten vor, die themenspezifisch in den ausgewählten Biografien von großer Bedeutung waren. „Das bedeutet, wir gehen mit den Gruppen an die Orte in der Stadt, wo sich die Jugendlichen damals getroffen haben“, erklärt Simon.
Spannungsfeld Gedenkstättenarbeit in einer sich wandelnden Gesellschaft
Das Projekt „Spannungsfeld Gedenkstättenarbeit in einer sich wandelnden Gesellschaft“ der NS-Dokumentationsstelle Krefeld und der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf wurde durch das Förderprogramm „Jugend erinnert“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien ermöglicht. Mit dem Programm unterstützt sie NS-Gedenkstätten und Dokumentationszentren bei der Entwicklung neuer Formate in der Bildungsarbeit. Die Durchführung der Workshops findet in der NS-Dokumentationsstelle Krefeld und der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf statt. Anmeldung sind möglich bei Daniel Simon per E-Mail an daniel.simon@krefeld.de oder unter Telefon 0 21 51 / 86 19 64.