Partizipatives Theaterprojekt für Krefelder Schulen

Beim partizipativen Theaterprojekt „MachtRäume“ entwickeln Krefelder Schüler Handlungsoptionen für Konfliktsituationen.

Krefeld – Basti kauert auf einem Stuhl in der Realschule Horkesgath. Den Kopf hat er in seinen Händen vergraben. Um ihn herum blaffen ihn Mitschülerinnen und Mitschüler an. Sie beleidigen ihn, lachen höhnisch, schmeißen Papierkugeln. Basti weiß sich nicht zu helfen, wirkt machtlos. Dann greift Jennifer Schüßler ein. Die Kultur- und Theaterpädagogin bedankt sich bei den sechs Zehntklässlern. Sie haben die Mobbing-Situation nur inszeniert, als Teil des theaterpädagogischen Projekts „MachtRäume“.

Seit vier Jahren vermittelt das Projekt an mehreren Krefelder Schulen Lösungswege bei machtmissbräuchlichem Verhalten und verschiedenen Formen von Gewalt. Aus dem partizipativen sozialen Lerntraining ist in Zusammenarbeit mit dem Regionalen Bildungsbüro der Stadt Krefeld nun ein Modellprojekt entstanden. In den nächsten drei Schuljahren sollen die hiesigen Real- und Gesamtschulen befähigt werden, „MachtRäume“ anschließend selbstständig und unabhängig auszuführen. Die Stadt und die Stiftung Bündnis für Kinder finanzieren das Modellprojekt.

„Wir möchten Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzen, bei Konfliktsituationen im schulischen Rahmen Handlungsoptionen und -alternativen zu entwickeln. Sie sollen eigenes Verhalten reflektieren, andere Perspektiven einnehmen und Haltungen entwickeln“, sagt Jennifer Schüßler von Machart. Das Krefelder Unternehmen hat das Projekt entworfen und leitet es an mehreren Realund Gesamtschulen. „Das theatralische Setting ist sehr wirkmächtig und fördert die individuelle Selbstwahrnehmung. Denn Theater ist immer mit Emotionen verknüpft. Die Jugendlichen sollen nicht nur zuschauen, sondern vollumfänglich eine inszenierte, aber sehr realitätsnahe Wirklichkeit durchleben“, erklärt Jennifer Schüßler.

„MachtRäume“ ist ein Peer-to-Peer-Projekt. Ältere Schüler entwickeln und spielen die Theaterszenen, in die sie die jüngeren aktiv einbinden. An der Realschule Horkesgath gilt das Projekt in diesem Jahr den fünf siebten Klassen, also etwa 150 Jugendlichen. Sie durchlaufen in Kleingruppen jeweils vier zu Theaterspielflächen umfunktionierte Klassenräume, die sich in unterschiedliche Themenbereiche ordnen. Sie handeln von Körperidealen, Konflikteskalation, Diskriminierung oder Grenzüberschreitungen, alles verkleidet in kurze Spielformate. Auch ein Quiz mit heiklen Fragen zum Social-Media-Gebrauch ist diesmal dabei. Die jungen Schüler sollen in den Räumen sofort aus der Zuschauer- in die Handlungsrolle wechseln und lernen, sich in Konfliktsituationen zu positionieren. Die Themen legen Jennifer Schüßler und ihre Kollegen im Vorfeld mit den Schulleitungen fest.

Der erste Projekttag gehört ausschließlich den älteren Schülern. Sie füllen die einzelnen Räume mit ihren Ideen, die sie zunächst erproben und in den Folgetagen ihren jüngeren Mitschülern vorführen. Im Anschluss kommen alle Schüler, Schauspieler sowie die beteiligten Lehrkräfte und Sozialarbeiter im Plenum zusammen. Hier entfaltet sich nicht selten eine emotionale Nachreflexion. „Dabei gehen wir gemeinsam das zuvor Erlebte durch. Häufig werden infolge der Raumbesuche Probleme und Konflikte freigelegt, die bislang nicht zur Sprache gekommen sind. Schülerinnen und Schüler werden mit ihrem Verhalten konfrontiert, aber auch aufgefangen. Jugendliche, die sich sonst oft ohnmächtig fühlen, sind plötzlich ermutigt“, sagt Jennifer Schüßler. In der Nachbesprechung werden darüber hinaus Schüler ausgezeichnet, die sich während des interaktiven Schauspiels bemerkenswert prosozial verhalten haben.

Das Projekt soll nachhaltig wirken, die Effekte möchten die Schulen auf den Alltag übertragen. Dies funktioniere sehr gut, erzählt Eva Nolden. Sie unterrichtet Deutsch und Geschichte an der Realschule Horkesgath und begleitet das Projekt an ihrer Schule im dritten Jahr. „Unsere Schülerinnen und Schüler lernen sich in diesem außerunterrichtlichen Rahmen besser kennen und konfrontieren sich gegenseitig mit emotionalen, lebensnahen Themen. Dabei entstehen immer wieder konstruktive Lösungsansätze für Konfliktsituationen. Uns Lehrkräften zeigt es, an welchen Stellen möglicherweise Handlungsbedarf besteht“, sagt Eva Nolden. In diesem Jahr beobachtet sie bei ihrer Hospitation die Abläufe von „MachtRäume“ besonders wachsam. Nach Ablauf der Modellprojektphase übernimmt ein Team aus Lehrkräften das Sozialtraining, um es anhaltend und unabhängig zu verstetigen.

„Das Bildungsbüro unterstützt langfristige Kooperationen von Schulen und außerschulischen Bildungspartnern in der Region, in denen gute Konzepte erprobt und dauerhaft in die Schuljahresplanungen implementiert werden – insbesondere Projekte, deren Fokus auf präventiven Ansätzen zur Entwicklung von prosozialem Verhalten gegen jegliche Formen von Gewalt und Diskriminierung an Schulen liegt“, sagt Anna Maria Prassek vom Regionalen Bildungsbüro.

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