Matinee-Vortrag von Provenienzforscherin Gesa Grimme in Krefeld

Die Kunstmuseen Krefeld laden am Sonntag, 5. Oktober 2025, von 11:30 bis 13:00 Uhr zu einem Matinee-Vortrag ins Kaiser-Wilhelm-Museum ein.

Krefeld – Die Provenienzforscherin Gesa Grimme stellt die Ergebnisse der Erstprüfung der ethnografischen Bestände der Kunstmuseen Krefeld auf koloniale Kontexte vor. Die Untersuchung wurde vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) gefördert. Im Anschluss an den Vortrag besteht die Möglichkeit, den ethnologischen Raum in der Präsentation „Sammlung in Bewegung“ gemeinsam zu besuchen. Es muss nur Museumseintritt gezahlt werden.

Die Kunstmuseen Krefeld haben in einem von Oktober 2022 bis März 2023 durchgeführten Forschungsprojekt den kolonialen Kontext ihrer rund 115 ethnografischen Objekte wissenschaftlich untersuchen lassen. Diese kamen zwischen 1891 und 1930 in die Sammlung – in einer Zeit, in der europäische Kolonialmächte weitreichende politische und wirtschaftliche Kontrolle über zahlreiche Regionen in Afrika, Asien und Ozeanien ausübten. Museumsleiterin Katia Baudin erklärt: „Die Zusammenarbeit mit spezialisierten Provenienzforschern ist für uns als Museum unverzichtbar, um die Herkunftsgeschichte unserer Bestände kritisch zu beleuchten. Es ist unsere Verantwortung, unsere Sammlung im historischen Kontext transparent zu machen und sensibel und offen mit möglichen kolonialen Kontexten umzugehen“.

Im Rahmen der Untersuchung wurden Herkunft, Erwerbsumstände und mögliche kultursensible Bedeutungen der Objekte systematisch geprüft. Das Ergebnis bestätigt, dass bei einem Großteil der Bestände eine Erwerbung im Kontext kolonialer Machtverhältnisse vorliegt. Da historische Dokumentationen häufig lückenhaft sind, ließ sich jedoch nicht in allen Fällen eindeutig rekonstruieren, aus welchen Regionen oder unter welchen Bedingungen die Objekte nach Krefeld gelangten. Die identifizierten Herkunftsregionen umfassen unter anderem Gebiete, die unter deutscher, niederländischer, britischer und belgischer Kolonialherrschaft standen, darunter „Deutsch-Westafrika“, „Deutsch-Ostafrika“, „Niederländisch-Indien“ und „Britisch-Neuguinea“.

Transparenter Umgang mit kolonialzeitlichem Sammlungsbestand

Der Bestand umfasst vorwiegend Gebrauchsgegenstände, bei denen auch soziale oder zeremonielle Funktionen nicht ausgeschlossen werden können. Hinweise auf gewaltsame Aneignung fanden sich bislang nicht. Angesichts der unvollständigen Quellenlage kann jedoch in keinem Fall ausgeschlossen werden, dass einzelne Erwerbungen unter problematischen Bedingungen erfolgten. Damit bleibt ein unrechtmäßiger Erwerb nach der Definition des Leitfadens zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten des Deutschen Museumsbunds in allen Fällen möglich. Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung haben die Kunstmuseen Krefeld einen wichtigen Baustein für den transparenten Umgang mit ihrem kolonialzeitlichen Sammlungsbestand gelegt. Sie bildet die Grundlage für zukünftige Kooperationen mit Experten und potenziellen Anspruchstellern aus den Herkunftsgesellschaften.

Gesa Grimme ist seit 2023 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland an der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Ethnologin und Historikerin arbeitet seit 2016 im Bereich der postkolonialen Provenienzforschung. Am Linden-Museum Stuttgart entwickelte sie zwischen 2016 und 2018 im Projekt „Schwieriges Erbe. Zum Umgang mit kolonialzeitlichen Objekten in ethnologischen Museen“ einen systematischen Ansatz zur Provenienzforschung. Gemeinsam mit Larissa Förster erarbeitete sie eine Übersicht zu namibischem Kulturgut in Sammlungsinstitutionen in Deutschland, Österreich und der deutschsprachigen Schweiz, die 2024 unter dem Titel „Locating Namibian Cultural Heritage in Museums and Universities in German-Speaking Countries: A Finding Aid for Provenance Research“ erschien. Ihre Forschung umfasst Bestände des kulturellen Erbes aus Kamerun, Namibia und Papua-Neuguinea sowie aus Hawaii geraubte Ahnen in deutschen Museen und Sammlungen.

Aktuell untersucht Grimme die gesellschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen postkolonialer Provenienzforschung. Grimme ist zudem Mitbegründerin des Netzwerks Koloniale Kontexte, das sich mit Fragen der digitalen Zusammenführung, Aufbereitung und Sichtbarkeit von Materialien und Daten aus kolonialen Kontexten befasst. Darüber hinaus engagiert sie sich in der AG Koloniale Provenienzen des Arbeitskreises Provenienzforschung.

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