Krefelder Museumsleiterin untersucht sensationellen Textil-Fund

Die Expertin für antike Textilien untersuchte fast 2.000 Jahre alte Stofffragmente, die sich über die Jahrhunderte im feuchten Boden eines Grabens erhalten haben.

Krefeld – Bad Ems ist ein Kurort an der Lahn in Hessen. Wie Krefeld liegt die Stadt am Welterbe „Römischer Limes“, der ehemaligen Grenze zwischen der römischen Provinz Niedergermanien und dem „Barbaricum“. Wie in Gelduba (Krefeld-Gellep) sicherten die Römer auch in Bad Ems ihren Grenzabschnitt mit einem Kastell. Der Ort an der Lahn besaß zudem eine wirtschaftliche Bedeutung. Die Römer betrieben auf dem „Blöskopf“ ein Silberbergwerk. Um den wertvollen Rohstoff vor den Germanen zu schützen, bauten sie in unmittelbarer Nähe weitere Militärlager. Dort fanden erneut 2019 archäologische Ausgrabungen statt. An deren Auswertung beteiligte sich Annette Schieck, die Leiterin der Deutschen Textilmuseums Krefeld. Die Expertin für antike Textilien untersuchte fast 2.000 Jahre alte Stofffragmente, die sich über die Jahrhunderte im feuchten Boden eines Grabens erhalten haben. Alleine das ist in diesen Breitengraden schon eine kleine Sensation. Aber Schieck konnte darüber hinaus aus den unscheinbaren Fetzen sogar einen Teil deren Geschichte aus dem Alltag der römischen Soldaten rekonstruieren.

Ein Mosaikstein aus dem römischen Alltag

Bei den Ausgrabungen auf dem Blöskopf wurde unter anderem ein Graben einer Militäranlage freigelegt. Darin überdauerten angespitzte Holzpfähle, die die Römer als Hindernisse in ihre Verteidigungsgräben einrammten. Dieses Annäherungshindernis war bislang nur aus der Literatur bekannt, konnte aber jetzt erstmals im Original nachgewiesen werden. Die Spitzen dieser Pfähle bildeten eine tödliche Falle für Angreifer. Darunter fanden die Archäologen eine weitere Überraschung, die Dank der Feuchtigkeit im Boden die Zeit überdauerte. Auf der Sohle dieses Spitzgrabens kamen sieben größere und kleine Fragmente eines Gewebes, wie sich später herausstellte, aus Schafswolle zum Vorschein. „In handliche Lumpen zerteilt, dienten die Stücke in ihrer letztmaligen Verwendung wahrscheinlich der Reinigung von Gegenständen“, so Schieck. Dafür sprechen Verfärbungen an den Stücken, die von Mitteln wie Ölen stammen könnten, um damit Metall (Waffen oder anderes Gerät) zu polieren.

„Zudem zeigen die Knick- und Knitterspuren an, dass die Fragmente zum Teil längs gerafft gegriffen wurden, um mit ihnen schmale oder enge Bereiche zu bearbeiten“, so die Archäologin. Diese wurden anschließend im Graben als Abfall entsorgt. Vergleichbare Textilien noch dazu in sehr großer Stückzahl fanden sich in der Region nur noch beim Legionslager von Mainz, wo sie ebenfalls als ausgediente Textilien in den sumpfigen Grund gelangten. „Zwar handelt es sich bei diesen Textilien um vermeintlich unscheinbare und braun verfärbte Fetzen, aber ihr weitreichender Informationsgehalt zum römischen Alltagsleben wird oftmals unterschätzt“, sagt Schieck.

Stoffreste waren Teil eines Kleidungsstücks

Da die Römer Meister im Recyceln von Materialien waren, mussten diese handlichen Lappen auch eine Vorgeschichte haben. Und hier nahm Schieck eine Spur anhand der Qualität der Stoffreste auf. „Das Gewebe wurde ursprünglich wohl als Kleidungsstück gefertigt und war lange in Gebrauch“, erklärt die Archäologin. In römischer Zeit und römischem Umfeld lassen sich derartige Textilqualitäten bei Bekleidung nachweisen, die wohl als Tunika oder Manteltuch genutzt wurden. Die Qualität der Textilfragmente spreche jedoch dafür, dass dieses einstige Kleidungsstück wohl nicht am Blöskopf angefertigt wurde. Es sei vermutlich aus der Herkunftsregion eines dort stationierten Soldaten mitgebracht oder aus dem Handel erworben worden. „Hergestellt wurde es eher im nördlichen Raum des Römischen Reiches in einer professionellen Weberei“, so Schieck. Dort wurde helle Wolle verarbeitet, die seltener und begehrter als braun- oder schwarzpigmentierte war. Die Farbe und die gute Qualität deuten so auf ein hochpreisiges Produkt. Die Nutzungsdauer solcher Stoffe konnte mehrere Jahrzehnte betragen. Selbst als Lumpen blieben sie noch lange in Gebrauch. „Wann das Gewebe produziert wurde, lässt sich zurzeit und ohne weitere Untersuchungen nur grob einschätzen“, so die Archäologin. Der Graben am Blöskopf wurde seit der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts nicht mehr gereinigt oder weiter verfüllt. So ist von einer Herstellung des Gewebes in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts oder auch früher auszugehen.

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