Krefeld – Häufig können sie sich kein Zahlenbild vorstellen oder erkennen keinen Zusammenhang zwischen Mengen und Zahlen. Diese Teilleistungsstörung nennt sich Dyskalkulie. Das Pendant bei den Buchstaben ist die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS). Hier fehlt es an sinnentnehmenden Wortbildern, Buchstaben müssen etwa immer wieder mühevoll aufs Neue aneinandergereiht werden. Die Lernwerkstatt des städtischen Psychologischen Dienstes unterstützt Krefelder Kinder mit diesen Schwierigkeiten. Derzeit betreut sie pro Jahr rund 370 Schülerinnen und Schüler mit einer kostenfreien Einzelfallhilfe.
Die meisten von ihnen sind Grundschüler, nicht selten lernen hier aber auch Schüler aus der Sekundarstufe I. Zur Lernwerkstatt führen üblicherweise zwei Wege: Entweder weisen die Schulen die Eltern auf dieses städtische Angebot hin, oder die Eltern kontaktieren den Psychologischen Dienst proaktiv. Den Förderunterricht flankieren psychologisch-pädagogische Testungen und Beratungen. Auch wenn die Lernwerkstatt bereits seit 2006 besteht, hat sie mit der Corona-Pandemie einen zusätzlichen Schub erhalten. Seither sind die Kapazitäten deutlich hochgefahren worden. Trotz der vielen teilnehmenden Schüler ist die Warteliste für die Lernwerkstatt beständig lang.
Lernschwierigkeiten führen zu Frust und Hilflosigkeit
„Dyskalkulie und LRS können bei Kindern enormen Frust hervorrufen. Das nagt am Selbstbild, häufig unterliegen diese Teilleistungsstörungen zudem noch immer einem gewissen Stigma“, erklärt Birgit Ogger, die für den Psychologischen Dienst die Arbeit der Lernwerkstatt koordiniert und organisiert. Dem hinzu mischt sich ein grundsätzliches Problem: Während Kinder mit Lernschwierigkeiten im Lesen, Schreiben oder Rechnen ohne eine gezielte Förderung „festhängen“, zieht der Klassenverband unentwegt weiter. Das erhöht den Lernrückstand – und die Hilflosigkeit. „Deswegen setzen wir mit einer sehr individuellen Förderung an, die positiv und mit Spaß besetzt ist, nicht etwa mit dem siebten oder achten Lernbuch“, sagt Birgit Ogger. Oft stellt sich nach etwa einem Jahr Lernwerkstatt ein solcher Erfolg ein, dass die Kinder diese Art der Förderung nicht weiter benötigen. Es gibt aber auch solche, die das Angebot länger oder kürzer beanspruchen. Manche begleiten Dyskalkulie oder LRS wiederum ein Leben lang. Ohnehin können diese Teilleistungsstörung jeden und jede betreffen. Hierbei handelt es sich nicht um kognitive Einschränkungen.
Carola Brink und Uschi Hass sind zwei von fünf festen Mitarbeiterinnen des Psychologischen Dienstes, die zur Lernwerkstatt gehören und jeweils eine halbe Stelle besetzen. Dieses Team ergänzen weitere 22 Honorarkräfte. Die beiden Diplom-Pädagoginnen Brink und Hass sind jeweils zwei Krefelder Grundschulen zugeteilt und betreuen hier bis zu 30 Kinder. „Wir stehen immer in enger Abstimmung mit den Schulen sowie Lehrkräften und schneiden unser Lernangebot somit sehr individuell auf das einzelne Kind zu“, erzählt Carola Brink, die an der Jahn- und Buchenschule LRS-Förderunterricht anbietet. Ihre Kollegin Uschi Hass, spezialisiert auf Deutsch- und Mathe-Förderung am Haus der Bildung und an der Mariannenschule, fügt hinzu „Oftmals haben die betroffenen Kinder sehr viele Rückschläge erfahren. Es hat eine hohe Wirkung, dass wir uns in einem ruhigen Rahmen mit ihnen zusammensetzen und einen Weg aufzeigen. Dazu gehört auch eine Menge Beziehungsarbeit.“
Förderunterricht am Vor- und Nachmittag
Die Lernwerkstatt ist zweigliedrig konzeptioniert: Während die Festangestellten und ein Teil der Honorarkräfte den Förderunterricht vormittags an nunmehr 15 Krefelder Grundschulen leisten, sind weitere Honorarkräfte am Nachmittag an zwei Standorten der Stadtverwaltung tätig. In diesem Fall greift eine Komm-Struktur. Bei beiden Modellen gilt die Maxime: Jedes Kind in der Lernwerkstatt soll einmal in der Woche die Chance auf eine 45- bis 50-minütige Einzelförderung bekommen. Die Fachkräfte der Lernwerkstatt gestalten ihren Förderunterricht kreativ aus, greifen auf Lernspiele zurück und trainieren so die Basisfähigkeiten. Es geht nicht um Nachhilfe oder Vorbereitung auf eine nächste Klassenarbeit. Auch organisatorisch stützt sich die Lernwerkstatt auf eine Doppelstruktur: Sie ist zunächst einmal ein städtisches Angebot. Andererseits wäre sie ohne den eng angebundenen Förderverein um seinen Vorsitzenden Ingolf Meinhardt undenkbar. Der Verein kümmert sich beispielsweise um die Bezahlung der Honorarkräfte.
Das Team der Krefelder Lernwerkstatt stellt sich divers auf: Es speist sich unter anderem aus Sprachheilpädagoginnen, Lehramtsstudenten, Logopädinnen, ehemaligen oder pensionierten Lehrkräften sowie Psychotherapeuten. Das nun angebrochene Schuljahr beginnt auch für sie mit einem angepassten Stundenplan. Neue Kinder werden auf das Angebot in den Schulen oder am Nachmittag verteilt. Für Carola Brink und Uschi Hass ist das eine spannende Zeit. Sie freuen sich. „Es macht total Spaß, ein Kind durch diese Arbeit ermutigen zu können. Die Kinder verbessern nicht nur sukzessive ihre Noten, sondern steigern ihre Motivation und trauen sich viel mehr zu“, sagt Brink. „Das ist ein ziemlich dankbarer Job.“
Angebot im Rahmen der Erziehungsberatung
Der Psychologische Dienst der Stadt Krefeld unterstützt bei Erziehungsfragen, schulischen Problemen, Teilleistungsstörungen und berät das System Schule als Ganzes. Er ist im Fachbereich Schule, Pädagogischer und Psychologischer Dienst angesiedelt. Die Lernwerkstatt ist ein Angebot im Rahmen der Erziehungsberatung. Wer sich darüber informieren möchte, kann sich unter Telefon 0 21 51 / 3 63 26 70 melden. Grundsätzlich ist die Lernwerkstatt stetig auf der Suche nach neuen Honorarkräften. Auch sie können sich an den Psychologischen Dienst wenden.




