Krefeld – Bei entsprechender Deliktlage sollen sie ein förmliches jugendgerichtliches Verfahren ersetzen und den Gesamtprozess deutlich beschleunigen. Die Jugendlichen erfahren damit außerdem eine zeitnahe Reaktion auf ihr Vergehen. Diversionsverfahren gibt es bereits, allerdings verteilen sie sich bislang über einen längeren Zeitraum. Dazu trägt bis dato auch die separierte Bearbeitungsabfolge der beteiligten Behörden bei. Mit der neuen Kooperation werden alle Verfahrensschritte zeitlich und örtlich mit den Jugendlichen samt ihren Erziehungsberechtigten an einem Tag gebündelt. Zunächst planen Stadt, Polizei und Staatsanwaltschaft einen Diversionstag pro Monat mit jeweils bis zu vier Fällen. Dieses außergerichtliche Reaktionsmittel greift vor allem bei einfachen Delikten oder Ersttätern und Ersttäterinnen.
Diversion im Sinne des Erziehungsgedankens
Bei Jugendkriminalität handelt es sich nach Stand der kriminologischen Forschung häufig um ein entwicklungstypisches und episodenhaftes Verhalten im Zuge des Heranwachsens. Sowohl eine überzogene als auch zu lasche Strafe können die erhoffte Wirkung verfehlen. Genau hier setzt die Diversion im Sinne des im Jugendstrafverfahren immanenten Erziehungsgedankens an. Die rasche Intervention verkürzt das Strafverfahren und soll Jugendliche mit ihrem Fehlverhalten konfrontieren sowie die Resozialisierung befördern. Die Jugendhilfe wird wiederum für potentielle Schutz- und Risikofaktoren sensibilisiert und kann entsprechende Maßnahmen einleiten. Bei der Entscheidung für ein solches Verfahren finden nicht nur Tatbestand und -hintergründe Berücksichtigung, sondern auch die Lebensumstände, das Alter sowie die persönliche Entwicklung.
Wenn Jugendliche (ab 14 Jahren) oder junge Erwachsene (bis 20 Jahre) straffällig werden, informiert die zunächst ermittelnde Polizei die Jugendgerichtshilfe der Stadt und die Staatsanwaltschaft. Jugendliche und Eltern werden je nach Tatbestand künftig zum nächsten Diversionstag in den Räumlichkeiten der Polizei vorgeladen. Hier ist ein eruierendes und beratendes Gespräch der Jugendgerichtshilfe der Entscheidung der Staatsanwaltschaft zeitlich unmittelbar vorgeschaltet. Auf Basis dieses Gesprächs schlägt die Jugendgerichtshilfe eine adäquate pädagogische Maßnahme vor, die die Staatsanwaltschaft festlegt. Je nach Vergehen können das zum Beispiel Sozialstunden, sogenannte Body-Check-Kurse zur Impulskontrolle oder Crash-Kurse bei Verkehrsdelikten sein. Die Jugendgerichtshilfe überprüft die Maßnahmen. Sind diese erfüllt, kann das Verfahren mithin eingestellt werden.
Stadtdirektor hebt enge Zusammenarbeit hervor
„Wie im Sport soll dieses Instrument der Gelben Karte eine früh- und rechtzeitige Ermahnung aussprechen. Sie gibt Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance, wieder in die Spur zu finden, wenn sie abzudriften drohen. Durch die erhebliche Beschleunigung des Prozederes können wir auch den erzieherischen Wert der Diversionsmaßnahme spürbar erhöhen“, sagte Stadtdirektor und Jugenddezernent Markus Schön bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung am 5. Mai. Dabei hob er auch die behördenübergreifende Zusammenarbeit hervor: „Diese Vereinbarung ist ein neuerlicher Beleg für das engmaschige und kollegiale Zusammenspiel zwischen der Verwaltung und den Ermittlungsbehörden in Krefeld.“
Axel Stahl, Leiter der Staatsanwaltschaft Krefeld: „Junge Menschen brauchen eine wahrnehmbare Reaktion auf ihr Vergehen. Eine direkte Konfrontation mit mehreren Institutionen hat eine ganz andere Wirkung als etwa ein Brief, der nach Hause verschickt wird. Die Diversion an einem Tag signalisiert den Jugendlichen eindeutig, dass sie sich an einem kritischen Punkt befinden. Wir fahren jetzt eine stringentere Linie und haben ein weiteres Werkzeug an der Hand, das auf einer soliden Basis unter Berücksichtigung aller behördlichen Blickwinkel gründet.“
Auch Rüdiger Korp, Leiter der Direktion Kriminalität des Polizeipräsidiums Krefeld, bekräftigte: „Ein solcher Rahmen wird Eindruck bei den Jugendlichen und Heranwachsenden hinterlassen. Gleichwohl bedarf jeder einzelne Fall der fachlich fundierten Bewertung und Prognose aller beteiligten Behörden. Einen festen Maßstab gibt es bei der Diversion nicht.“ Stadt, Polizei und Staatsanwaltschaft möchten im Sommer mit dem ersten gemeinsamen Diversionstag beginnen.