Krefeld – Bereits in den Jahren 2005 bis 2010 lag die Quote bei 8,9 Prozent, seitdem schwanken die Zahlen leicht und lassen keine wirklichen Entwicklungen erkennen. In der gemeinsamen Sitzung des Jugendhilfeausschusses und des Ausschusses für Schule und Weiterbildung zeigt die Verwaltung die besonderen Herausforderungen für Krefeld und den Umgang mit der Situation auf.
Anstrengungen der Stadt und ihrer Netzwerkpartner
„Die Herausforderungen der vergangenen Jahre hatten mit Sicherheit Auswirkungen auf die Abgangssituation, die jedoch nicht im Detail zu quantifizieren sind“, berichtet Stadtdirektor Markus Schön. Hierzu gehört die erhöhte Zuwanderung seit 2015 insbesondere auch von Jugendlichen, die zunächst einmal Deutsch lernen müssen, bevor sie einen Schulabschluss erwerben können. „Auch die Auswirkungen der Schulschließungen während der Covid-19-Pandemie werden wir über mehrere Jahre beobachten müssen“, sagt Schön. Trotz der schwierigen Jahre sei die Quote der Schulabgänger nicht gestiegen. Dies sei auf die vielfältigen Anstrengungen der Stadt und ihrer Netzwerkpartner zurückzuführen, die mit individuellen Hilfen die Zahl der Schulverweigerer und -abbrecher verringern will.
Experten der Schulverwaltung
Aus Sicht der Experten der Schulverwaltung sind mehrere Faktoren ursächlich für die relativ hohe Zahl an Schulabgänger ohne Abschluss, darunter die Sozialstruktur. „Leider ist es wenig überraschend, dass in einer Stadt, in der über 22 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und 15 Jahren im Sozialbezug leben, die Quote der Abgänger ohne Hauptschulabschluss besonders hoch ist“, heißt es in der Verwaltungsvorlage. In Krefeld liegt darüber hinaus der Anteil der Förderschüler an den Abgängern ohne Abschluss bei fast 54 Prozent (in NRW bei 48 Prozent), da hier der Anteil der Förderschüler insgesamt höher ist als in ganz NRW. „Einem Großteil der Förderschüler ist es in der Regel gar nicht möglich, einen allgemeinbildenden Abschluss zu erreichen. Der Stadt hat hier keine Einflussnahme“, erklärt Katrin Weisker, Leiterin des Pädagogischen Dienstes der Stadt. Von daher sei es auch schwierig von „Schulabbrüchen“ zu sprechen. „Häufig absolvieren die Förderschüler ihre zehnjährige Schullaufbahn in Gänze, erreichen jedoch keinen Abschluss“.
Quote der Abgänger ohne Schulabschluss
Seit einigen Jahren seien auch vermehrt Jugendliche aus Kriegs- und Krisenregionen nach Deutschland gekommen, die altersgemäß kurz vor dem Schulabschluss stehen, so Weisker. „Sie müssen erst einmal die deutsche Sprache erlernen und sich in das hiesige Schulsystem einleben. Viele können später dann noch den Schulabschluss im Berufskolleg nachholen“. Ein statistischer Zusammenhang zwischen der Schließung der Hauptschulen und dem Anteil von Schulabgängern ohne Abschluss lasse sich hingegen in Krefeld nicht erkennen. Auch im Zeitraum von 2005 bis 2010, in dem es noch eine intakte Hauptschullandschaft in Krefeld gab, lag die durchschnittliche Quote der Abgänger ohne Schulabschluss bei rund neun Prozent. Und der letzte Hauptschuljahrgang in Krefeld hat erst 2021 die Schule verlassen.
Reihe von Maßnahmen
Mit einer Reihe von Maßnahmen wirkt die Stadt Krefeld der hohen Zahl an Schulabgängern ohne Abschluss entgegen. „Die Besonderheit in Krefeld liegt hier in der engen Zusammenarbeit des Fachbereichs Jugendhilfe mit der Schulverwaltung und dem Schulamt. Gemeinsam wollen wir Schüler mit Auffälligkeiten unterstützen und herausarbeiten, wo ihre Stärken liegen. Vor allem über die kommunale Schulsozialarbeit besteht ein direkter Zugang zum Fachbereich Jugendhilfe,“ erklärt Guido Trappmann, Leiter der Kommunalen Zentralstelle für Beschäftigungsförderung (Kom.ZfB). In den vergangenen Jahren wurde die kommunale Schulsozialarbeit an allen Grundschulen, wie auch weiterführenden Schulen massiv ausgebaut, so dass aktuell alle Schulen (Gymnasien und eine Gesamtschule ausgenommen) zumindest anteilig über entsprechendes Fachpersonal verfügen. „Die Schulsozialarbeiter sind in der Lage, individuelle Problemlagen zu erkennen und diese durch den Einsatz geeigneter Methoden zu lösen“. Sie arbeiten eng zusammen mit dem vorhandenen Unterstützungsnetzwerk im Stadtgebiet. Das geht von der Kooperation mit Jugendfreizeiteinrichtungen über die bezirkliche Sozialarbeit bis hin zu anderen Beratungsstellen.
Kein Abschluss ohne Anschluss
Ein weiterer Schwerpunkt liege darin, die Zielgruppen auf dem Weg in den Beruf zu unterstützen, so Trappmann. Mit Einführung der Verantwortungskette des Landes NRW werden alle jungen Menschen, die Problemlagen aufweisen, schon ab dem zweiten Halbjahr der Klasse 7 an die kommunale Schulsozialarbeit weitergeleitet. Die Fachkräfte lotsen die betroffenen Schüler durch die Standardelemente der Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ und begleiten sie anschließend gemeinsam mit der Berufsberatung der Agentur für Arbeit auf dem Weg in Ausbildung oder Berufsvorbereitung.
Abgebrochene Schullaufbahnen
„Nach wie vor besteht eine große Herausforderung in der Bekämpfung schulabsenten Verhaltens, da dadurch das Risiko deutlich steigt, die Schule ohne Abschluss verlassen zu müssen“, erklärt der Kom.ZfB-Leiter. Der Umgang mit Schulmüdigkeit und Schulabsentismus erfordert präventive und intervenierende Konzepte und eine enge Kooperation von Schule, Jugendhilfe und den Familien, um gelingende Bildungsbiografien zu ermöglichen, abgebrochene Schullaufbahnen zu verhindern und junge Menschen wieder an das Regelsystem heranzuführen. Der dringende Handlungsbedarf bei der Absicherung des Schulerfolgs Krefelder Jugendlicher führte im Dezember 2019 zur Gründung des Arbeitskreises „Schulerfolg sichern – Schulabsentismus vermeiden“.
Schulsozialarbeiter
Unter der Federführung des regionalen Bildungsbüros gibt es hier eine enge Zusammenarbeit zwischen Schulen, dem Fachbereich Jugendhilfe und Beschäftigungsförderung, dem Psychologischen Dienst, der LVR-Klinik Viersen – Ambulanz und Tagesklinik für Kinder und Jugendliche Krefeld und dem Kommunalen Integrationszentrum. Die Kooperation unterstützt dabei, gelingende Bildungsbiographien zu ermöglichen, abgebrochene Schullaufbahnen zu verhindern und junge Menschen wieder an das Schulregelsystem heranzuführen. Die Experten haben ein „Handlungskonzept Schulabsentismus“ für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte wie Schulsozialarbeiter in Schulen aller Schulformen entwickelt, das im Sinne eines Leitfadens als Arbeitshilfe dient und Ideen zur pädagogischen Prävention und Intervention anbietet.
Clearingstelle
Im Jahr 2021 wurde zudem eine sogenannte Clearingstelle eingerichtet, die sich mit schulverweigernden jungen Menschen befasst. Das Fachkräfte-Team besteht aus Vertretern der Schule, kommunalen und Landes-Sozialarbeitern und Vertretern der Berufsvermittlung. Es erarbeitet individuelle Lösungsansätze für Einzelfälle, die nachweislich zu einer Stabilisierung der jungen Menschen sowie zu einer verbesserten Integration in das Schulsystem führen. Als weitere Maßnahme wurde 2022 an einer Förderschule ein alternativer Lernort für sozial und emotional besonders beeinträchtigte Jugendliche eingerichtet. Die betroffenen Schüler werden über werkpädagogische Angebote sowie praxisbezogenen Unterricht an Schule sowie an beschäftigungsfördernde Angebote herangeführt. Die Durchführung des Lernortes wird von den Lehrkräften und der kommunalen Schulsozialarbeiterin verantwortet. Ende 2023 soll das Angebot evaluiert werden.