Krefeld veröffentlicht ersten Armuts- und Reichtumsbericht

Von Daten zu Taten - diesen Anspruch formuliert der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Stadt Krefeld.

Krefeld – Ziel der datengestützten Analyse ist eine umfassende Bestandsaufnahme zur Einkommensverteilung, sozioökonomischen Verhältnissen und Risikofaktoren von Armut. Die verantwortliche Koordinierungsstelle für Gemeinwesenarbeit und verschiedene Fachbereiche der Stadt haben ihre Erkenntnisse in konkrete Handlungsempfehlungen übersetzt. Der Bericht ist zugleich ein Befund von zahlreichen bereits integrierten Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren messbare Wirkung entfaltet haben: Hierzu zählen zum Beispiel das soziale Quartiersmanagement, umfangreiche Angebote für wohnungslose Menschen, aber auch eine gut aufgestellte Gesundheitsinfrastruktur. Die Politik hatte die Stadtverwaltung mit der Erstellung eines entsprechenden Berichts beauftragt. Am Dienstag, 1. Juli, wird er im Ausschuss für Soziales, Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Inklusion, Senioren und Integration (SAGIS) erstmals vorgestellt.

Stadtdirektor Markus Schön sagt: „Als Kommune sind wir ein zentraler Akteur des bundesdeutschen Sozialstaats. Deshalb ist es unser Anspruch, die Verhältnisse von Armut und Reichtum in unserer Stadt so gut es geht zu überblicken, trotz oder gerade weil dieses Thema häufig noch mit einem Stigma belegt ist. Die nun vorliegende valide Datenbasis bietet uns nun einen echten Mehrwert mit wichtigen Hinweisen. Denn sie hilft uns dabei, die kommunalen Instrumente bei der Bekämpfung von Armut weiter zu präzisieren und noch gezielter einzusetzen. Bei allen bestehenden Herausforderungen zeigt uns die Analyse auch, dass wir in unseren Verantwortungsbereichen bereits ein umfangreiches, intaktes Netz an Unterstützungs- und Präventionsmaßnahmen implementiert haben. Darauf möchten wir uns aber nicht ausruhen, sondern aufbauen.“

„Vor allem junge und alte Menschen sind einem besonderen Risiko ausgesetzt“

Rund eineinhalb Jahre hat das Team um Dr. Sabrina Lesch, Leiterin der Gemeinwesenstelle, an der wissenschaftlichen Untersuchung gearbeitet. Ein aufwändig angesammelter Pool an quantitativen Daten wurde mit diversen Experteninterviews, Befragungen von Fokusgruppen und einem praxisbasierten Hospitationsbericht verknüpft. „Wir wollten alle potenziell armutsbedrohten Menschen in den Blick nehmen und haben deshalb sämtliche Lebensbereiche und Generationen abgebildet. Die Ergebnisse zeigen, dass vor allem junge und alte Menschen einem besonderen Risiko ausgesetzt sind“, erklärt Sabrina Lesch. Zum Ergebnis trug auch der nominell besetze Fachtag „Gesundheitsrisiko Armut“ im September 2024 teil. Seinerzeit attestierte etwa Kerstin Griese, Parlamentarische Staatssekretärin des Bundesministers für Arbeit und Soziales, der Stadt Krefeld eine Vorreiterrolle bei der detaillierten Analyse des Themas Armut auf kommunaler Ebene und bei der Bekämpfung von Armutsfolgen.

Von Beginn an involviert war eine fachbereichsübergreifende Begleitgruppe, die den Bericht inhaltlich mitgestaltet und dessen Ausrichtung regelmäßig überprüft hat. Dazu gehörten beispielsweise die Fachbereiche Soziales, Jugendhilfe, Wohnen, Gesundheit, Migration und Integration und Schule sowie die Inklusionsbeauftragte und die Abteilung Statistik. Dieser breit aufgestellte Zusammenschluss folgte der Absicht, das Thema Armut auf möglichst vielen Ebenen zu beleuchten. Der Bericht zeigt so etwa die räumliche Einkommensverteilung ebenso auf wie die gesundheitliche Versorgung oder die von Armut betroffenen Gesellschaftsgruppen.

Als Positivbeispiel weist die Untersuchung die Krefelder Quartiersarbeit aus, die die Gemeinwesenstelle seit Jahren in zwölf Quartieren anstrengt, insbesondere in den Bezirken Mitte und Süd. Damit reagiert die Stadt gezielt auf eine in Krefeld stark ausgeprägte räumliche Segregation. „Der Bericht zeigt uns datengestützt, wie wichtig und wirksam die Quartiersarbeit ist. Die Ausrichtung in unser Stadt stimmt, aber wir müssen das Soziale Quartiersmanagement auch künftig als strukturbefördernde Daueraufgabe begreifen“, sagt Markus Schön.

Der Bericht verdeutlicht außerdem, dass Armut nicht selten auch an Wohnungslosigkeit gekoppelt ist. „Wohnungs- oder Obdachlosigkeit zeigt sich in unserer Stadt sichtbar, aber auch verdeckt. Hier wurden in Krefeld in den zurückliegenden Jahren ebenfalls ganz konkrete Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet“, ergänzt Sozialdezernentin Sabine Lauxen. Beispielhaft nennt sie die Obdachlosenunterkunft in der Feldstraße, die 2024 eröffnete Frauenunterkunft und das Drogenhilfezentrum (DHZ).

Untere Einkommensklassen in Krefeld stärker besetzt als im Landesschnitt

Aus dem Bericht geht unter anderem hervor, dass die Mehrheit der steuerzahlenden Krefelderinnen und Krefelder ein Jahresbruttoeinkommen unterhalb von 50.000 beziehen. Die unteren Einkommensklassen sind in Krefeld stärker besetzt als im Landesdurchschnitt. Eine weitere Erkenntnis der städtischen Analyse: Etwa 25.000 Menschen in Krefeld sind überschuldet. Dies entspricht einer Quote von 13,5 Prozent. „Auch das ist ein überdurchschnittlicher Wert“, sagt Sabrina Lesch und fügt hinzu. „Die allgemeinbildenden Schulen halten zwar bereits Angebote zur finanziellen Bildung vor. Diese müssen wir aber ausweiten, damit junge Menschen frühzeitig über die Gefahren von Schulden aufgeklärt werden.“

Als besonders auffallend identifiziert der Armuts- und Reichtumsbericht den kausalen Zusammenhang von sozioökonomischer Lebensverhältnissen und psychischer wie physischer Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen. „Dieses wachsende Problem haben wir schon im Zuge unseres Aktionsplans zur Kinderfreundlichen Kommune erkannt. Hier bedarf es einer engmaschigen Unterstützung von jungen Menschen aus finanziell und sozial benachteiligten Familien. Sie sind deutlich mehr Belastungsfaktoren ausgesetzt und müssen in jungen Lebensjahren intensiv gestützt werden“, erklärt Sabrina Lesch. Mit ihrem Team hat sie sich entschieden, den ersten Armuts- und Reichtumsbericht unter den Titel „Krefeld hält zusammen“ zu stellen. „Dieser Leitsatz“, so Sabrina Lesch, „ist Auftrag und Motivation zugleich, um den in Krefeld eingeschlagenen Weg im Kampf gegen die Armut entschieden fortzusetzen.“

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