Krefeld – Im Haus am Andreasmarkt werden bis 29. Dezember 37 Positionen zeitgenössischer, europäischer Tapisserien vorgestellt. Tapisserien oder Bild-Gewebe sind kunstvoll gewebte Bildteppiche. Die 34 beteiligten Künstler kommen aus 15 europäischen Ländern. Nun haben Dr. Isa Fleischmann-Heck, stellvertretende Leiterin des Deutschen Textilmuseums, und Volontärin Jeanne Spriet zwei Lieblingsstücke vorgestellt: „In the Gardens of Light“ von Leva Prane und „Still after Sunset“ von Joan Baxter.
Die Arbeit „In the Gardens of Light“ (In den Gärten des Lichts, 2022) von Leva Prane aus Lettland begeistert die Volontärin Jeanne Spriet, die seit einem Jahr im Deutschen Textilmuseum lernt und die Ausstellung mit kuratiert hat. Besonders bei dem Objekt sei die Hängung gewesen. „Bei diesem Stück ist die Schattenwirkung wichtig“, betont Spriet. Deswegen sei nicht nur die frontale, sondern auch die seitlich versetzte Betrachtung entscheidend, weil man so auf der rückliegenden weißen Wand die Schattenspiele sehen könne. Die abstrakte Malerei und der Wandteppich beruhen auf einer gemalten Vorlage. „Zuerst malt sie es, um es dann in Textil zu übertragen“, so Spriet. Einige Flächen liegen frei, lediglich die Kettfäden sind zu sehen. Die Schussfäden aus unterschiedlichen Materialien verlaufen nicht horizontal, sondern mehr diagonal und nicht über die gesamte Breite. Manche Fäden sind voluminöser. Sie wirken wie eine Relief. Zwischen sechs Monaten und einigen Jahren könne die Arbeit an einem solchen Wandteppich andauern. Was auch immer der Betrachter in der Arbeit der lettischen Künstlerin erkennen mag, die Deutungen dürfen individuell sein. Die Künstlerin gibt jedem dabei nur einen vagen Hinweis mit: „Jeder von uns muss zu etwas Besonderem heranwachsen, egal wann. Ein einziges Leben kann dieser Setzling sein, und man weiß nicht, ob man zu einem Löwenzahn auf einem Feld oder zu einem Affenbrotbaum heranwachsen wird.“
„Still After Sunset“ (Stille nach dem Sonnenuntergang, 2020) von Joan Baxter aus Schottland wirkt aus der Distanz wie ein Foto oder ein fotorealistisches Gemälde – eine Seelandschaft mit kargen Bergen an einem eher grauen Tag erweckt eine ruhige Stimmung. Erst die unmittelbare Betrachtung eröffnet, dass es sich um eine gewebte Arbeit mit zahlreichen Farbnuancen handelt. „Für mich ist das auch eine Farbstudie. Baxter färbt ihre Wolle übrigens selbst“, sagt Dr. Isa Fleischmann-Heck. „Dieses Werk zeichnet sich in seiner Ausführung durch Perfektion aus. Der Betrachter benötigt keine Lupe, um die feine, pointierte Technik zu erkennen. Es ist faszinierend, wie Joan Baxter mit changierenden Farben arbeitet und eine dichte Atmosphäre erzeugt. Das Werk entsteht von unten nach oben“, erklärt die stellvertretende Museumsleiterin. Weil Baxter so detailliert vorgehe, dauere die Arbeit an solch einem Bild mindestens ein bis zwei Jahre. Es sei ein Entstehungsprozess vergleichbar mit dem Schreiben eines Romans.
Dass es sich um die schottische Heimat der Künstlerin handeln mag, liegt nahe, es muss aber nicht so sein. „Seit ich ein kleines Kind war, haben mich die wilden Landschaften des Nordens inspiriert“, sagt die Künstlerin. Sie liebe es immer noch, die Hügel zu erkunden und nach den Siedlungsschichten in dem nun leeren Land zu suchen, schreibt sie in der Bildbeschreibung. „Die meisten meiner Arbeiten sind eine Hommage an meine Heimatlandschaften mit ihren Mythen und Geheimnissen und ihrem historischen Erbe, in dem sich gälische und nordische Traditionen überschneiden“, so Baxter.
Die Ausstellung „Artapestry 7“ präsentiert eine Bandbreite künstlerischer Positionen aktueller europäischer Tapisseriekunst. Im kommenden Jahr wird „Artapestry 7“ in Dänemark, Litauen und Ungarn zu sehen sein. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben zur Ausstellung im Deutschen Textilmuseum am Andreasmarkt 8 kostenfreien Eintritt. Im Rahmen des Begleitprogramms werden Führungen und weitere Veranstaltungen angeboten.