Krefeld/Hamm – „In aller Freundschaft! Heinrich Campendonk: Ein Blauer Reiter im Deutschen Werkbund“ ist nun im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm zu sehen. „Wir wollen mit dieser Ausstellung die Wahrnehmung von Campendonk verändern“, betont Ronja Friedrichs, Kuratorin und kommissarische Museumsdirektorin. „Heinrich Campendonk ist der jüngste Künstler im Kreis des „Blauen Reiter“. Er ist befreundet mit Franz Marc, Paul Klee und Johan Thorn Prikker, ist Mitglied im Deutschen Werkbund, weltweit bekannt und geschätzt, aber so selten zu sehen und das wollen wir ändern“, sagt Friedrichs. Zusammen mit Kunsthistorikerin Dr. Christiane Heiser (Köln) hat sie die Präsentation realisiert. „Die Ausstellung wird sehr stark von den Kunstmuseen Krefeld unterstützt. Viele Leihgaben, besonders aus der frühen Zeit, ergänzen die Ausstellung und machen sie erst vollständig“, so Friedrichs.
Die Schau ist chronologisch konzipiert und orientiert sich anhand der Lebensdaten von Campendonk (1889-1957). Malerfreunde, biografische Umstände oder kunstgewerbliche Auftragsarbeiten waren für ihn immer wieder Anlass, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Diese Einflüsse auf ihn und Campendonks Umsetzung in sein Werk haben Friedrichs und Heiser in der Ausstellung konzentriert zusammengebacht und in mehrere thematische Sektionen gegliedert. Dabei lenken die Kuratorinnen sehr anschaulich die Perspektive auf das vielfältige Gesamtwerk des Krefelder Expressionisten. Campendonks malerisches Werk, vor allem aus der Zeit des „Blauen Reiter“, sei allenthalben bekannt, sein weniger präsentes Werk seien jedoch seine kunstgewerblichen Arbeiten. Beide Sparten werden von Friedrichs und Heiser in einen Kontext gestellt. „Wenn man durch die Ausstellung geht, sieht man immer wieder welche fruchtbare Verbindung zwischen diesen Arbeiten besteht“, so Friedrichs.
Neben den Gemälden und Hinterglasbildern sehen die Besucher so Wandteppiche, Möbel, Bühnenbilder und Kirchenfenster sowie weitere Objekte. Diese haben nationale wie internationale Museen zur Verfügung gestellt, einige Leihgaben stammen aus Privatsammlungen, wie das Bild vom jungen Campendonk aus einer Krefelder Sammlung. Bei den Exponaten in der Ausstellung handelt es sich nicht ausschließlich um Campendonks, sondern auch um Bilder und Objekte von seinen Freunden, Mentoren sowie Wegbegleitern wie Franz Marc, Helmuth und August Macke, Heinrich Nauen, Paul Klee, Johan Thorn Prikker, Anna Pahde oder Edith van Leckwyck.
Die Ausstellung führt von Campendonks Studienjahren in Krefeld über die Zeit im Kreis der „Blauen Reiter“ bis hin zu der schaffensreichen Phase in den 1920er-Jahren und schließt mit seiner Emigration in die Niederlande. In der gesamten Schau ist Krefeld als Schaffensort von Campendonk und anderen lokalen Akteuren sehr präsent. Zu Beginn des Rundgangs wird gezeigt, dass Campendonks Interesse für das Kunstgewerbe auf seine Studienzeit an der Kunstgewerbeschule an der Petersstraße in Krefeld zurückzuführen ist und in jeder Phase seiner künstlerischen Karriere bedeutend bleibt. Neben dem Wissen um die Farbtheorien und Technik der Neoimpressionistischen Malerei vermittelt ihm sein Krefelder Lehrer Johan Thorn Prikker das Stilisieren und Ornamentieren und legt damit handwerkliche Grundlagen, auf die Campendonk Zeit seines Lebens zurückgreifen kann. Das können Besucher anhand von gut ausgewählten Exponaten in der Ausstellung erfahren.
Zum „Blauen Reiter“ nach Bayern
Künstlerisch reift Campendonk ab 1911 im Kreise der „Blauen Reiter“. In deren Umfeld spielt die Gestaltung aller Lebensbereiche eine wichtige Rolle. Anhand von Campendonks Entwürfen für Stickereien lässt sich nachvollziehen, wie er seine künstlerischen Ideen dieser Zeit ins Handwerk übersetzt. Zeitgenössisch sind diese Arbeiten von seiner Ehefrau, der ausgebildeten Textilhandwerkerin Adda Deichmann, ausgeführt worden. Die einzige überlieferte Stickerei von Campendonk und Deichmann wird in der Ausstellung im Dialog mit Stickereien von Franz und Maria Marc gezeigt. Hierin zeigt sich auch Campendonks große stilistische Nähe zu diesem bewunderten Künstlerfreund.
„In aller Freundschaft!“ – der Titel spiegelt sich in unterschiedlicher Form in der Ausstellung. Zu wichtigen Freunden zählten schon in den frühen Jahren Heinrich Nauen und Helmuth Macke. Sie gehören wie Campendonk zu den Rheinischen Expressionisten – alle drei Krefelder. Mit Macke nahm er am Unterricht von Johan Thorn Prikker in der Kunstgewerbeschule teil, der Campendonk auch nach der Zeit an der Kunstgewerbeschule unterstützte. Über Helmuth Macke kam der Kontakt zu dessen Vetter August Macke und somit zum Kreis der „Blauen Reiter“ zustande.
Ruf an die Düsseldorfer Kunstakademie
Im Frühjahr 1911 erhielt er eine Einladung der Künstlergruppe nach Bayern. Fortan bewegte er sich im direkten Umfeld von Marc, Klee und Kandinsky – auch hier pflegte er lange Freundschaften. Der Erste Weltkrieg ließ die Gruppe zerbrechen, Campendonk wurde Soldat. Er kam aus Bayern erst 1922 nach Krefeld zurück. Es folgte 1926 der Ruf an die Düsseldorfer Kunstakademie. Nach der sogenannten Machtübermachte der Nationalsozialisten 1933 wurde er dort umgehend aus dem Dienst entlassen. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden 87 seiner in deutschen Museen vorhandenen Arbeiten als entartete Kunst bezeichnet und beschlagnahmt. Er emigrierte ins belgische Exil und ging 1935 an die Rijksakademie in Amsterdam. Offiziell kehrte er nie mehr in seine Geburtsstadt zurück. Campendonk besuchte Krefeld nur noch einmal 1955 inkognito, um sich in einer Klinik behandeln zu lassen. Er starb am 9. Mai 1957 und wurde in Amsterdam beerdigt.
Heinrich Campendonk, Harlekin, um 1925, Privatsammlung.Zur Ausstellung in Hamm ist ein Katalog mit aktuellen Forschungsbeiträgen erschienen, unter anderem mit einem gemeinsamen Beitrag Katia Baudin und Dr. Magdalena Holzhey von den Kunstmuseen Krefeld. Die im Gustav-Lübcke-Museum erhältliche Ausgabe kostet 20 Euro, im Buchhandel 25 Euro. Die Ausstellung im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm – in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofes – endet am 28. September. Weitere Informationen über die Ausstellung und das Begleitprogramm mit Führungen stehen unter www.museum-hamm.de.