Essen – Die Kooperationspartner:innen zogen eine positive Bilanz. Die Stadt Essen, die Polizei und die Staatsanwaltschaft Essen arbeiten seit dem Winter 2017 gemeinsam unter einem Dach im „Haus des Jugendrechts Essen“ zusammen. Neben den in der Kooperationsvereinbarung benannten Punkten und Zielen entwickelt sich die gemeinsame Arbeit durch die gemachten Erfahrungen stetig weiter. Das „Haus des Jugendrechts“ verfolgt die Ziele, flächendeckend für das Stadtgebiet Essen strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen junge Intensivtäter:innen zu beschleunigen und damit einhergehend zeitnahe Reaktionen auf jugendkriminelle Aktivitäten zu ermöglichen, kriminelle Karrieren von jungen Intensivtäterinnen und Intensivtätern zu beenden beziehungsweise deren Rückfall zu verhindern. Dadurch soll die Jugendkriminalität reduziert werden und ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls und der Sicherheitslage in der Stadt Essen geleistet werden.
Kriterien zur Aufnahme von jungen Straftäterinnen und Straftätern in das Intensivtäterprogramm
Die Kooperationspartner*innen haben zu den Kriterien zur Aufnahme von jungen Straftäterinnen*Straftätern in das Intensivtäterprogramm eine verbindliche Vereinbarung über die Zusammenarbeit abgeschlossen. Die Aufnahme richtet sich nach den folgenden Kriterien der Polizei: Es handelt sich um Jugendliche, die unter 21 Jahre alt sind, ihren Wohnort in Essen oder Mülheim an der Ruhr haben und in 12 Monaten mindestens fünf Straftaten eines definierten Deliktspektrums (Raub/räuberische Erpressung, räuberischer Diebstahl, Körperverletzungen, Diebstahl, Straftaten gegen die persönliche Freiheit) begangen haben. Im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Leitungsbesprechungen werden die potenziellen Kandidatinnen*Kandidaten den Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern vorgestellt, bevor sie endgültig als neue Intensivtäter:innen aufgenommen werden. Jede:r Kooperationspartner:in hat hierbei gleichberechtigt die Möglichkeit, Jugendliche vorzuschlagen.
Im Jahr 2023 wurden im Haus des Jugendrechts 92 junge Intensivtäter*innen betreut
Zum Stichtag 31.12.2023 wurden 92 Personen als junge Intensivtäter:innen aus Essen/Mülheim im Haus des Jugendrechts geführt, davon befanden sich zu diesem Zeitpunkt acht junge Menschen in Haft, Untersuchungshaft oder (Untersuchungs-)Haftvermeidung. Im laufenden Jahr wurden 49 Personen in das Programm aufgenommen und 30 Personen aus unterschiedlichen Gründen entlassen. Insgesamt wurden somit 122 (91 aus Essen, 31 aus Mülheim) junge Intensivtäter*innen im Jahr 2023 im Haus des Jugendrechts betreut. Zum Vergleich: im Jahr 2022 wurden insgesamt 93 (65 aus Essen, 28 aus Mülheim) junge Intensivtäter*innen im Haus des Jugendrechts betreut. Hier ist zu berücksichtigen, dass es im Vergleich zum Vorjahr insgesamt zu mehr Straftaten gekommen ist. Darüber hinaus ist ein Ziel im Haus des Jugendrechts Jugendliche, bei denen eine negative Entwicklung zu beobachten ist, präventiv und frühzeitig, auch wenn sie zum Beispiel noch nicht die polizeilichen Kriterien erfüllen, in das Intensivtäterprogramm aufzunehmen. Junge Intensivtäter:innen werden in der Regel aus dem Programm entlassen, wenn sie zwölf Monate polizeilich nicht in Erscheinung treten (kein Ermittlungsverfahren oder Gefährdungssachverhalt vorliegt), aus dem Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Essen wegziehen, sich länger als ein Jahr in Haft befinden oder das 21. Lebensjahr vollendet haben.
32 Prozent der Jugendlichen blieben straffrei
Nach einen gemeinsam mit der Polizei erfolgten Abgleich der Zahlen im Bereich der Rückfalluntersuchung der letzten Jahre kann festgehalten werden, dass sich die Rückfallquoten immer im ähnlichen Bereich befinden. Die nach dem Einzug in das Haus sehr schnell erkennbaren positiven Ansätze in der Arbeit mit den jugendlichen Intensivtäterinnen und Intensivtätern durch die kurzen Wege (Zusammenarbeit unter „einem Dach“) können auch im sechsten Jahr weiterhin bestätigt und bekräftigt werden. Die regelmäßigen persönlichen Kontakte und regelmäßig stattfindenden Besprechungen ermöglichen zeitnahe Absprachen, Regelungen und Vereinbarungen. Die Jugendlichen werden von allen Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern stärker in den Fokus genommen. Der einzelne junge Mensch erfährt eine hohe Aufmerksamkeit. Neben eventuell zu erfolgenden, auch sanktionierenden Maßnahmen steht weiterhin im Vordergrund, gemeinsam flankierende Hilfsangebote zu installieren. Ein Beispiel ist die Entwicklung von speziellen Modulen und Angeboten für Intensivtäter:innen, die unter Mitwirkung aller Kooperationspartner:innen im Jahr 2022 projektbezogen umgesetzt und in 2023 fortgeführt wurden. Es geht unter anderem um die Themen: Gewalt, Waffen, Medien, Sucht, Schulden und Strafrecht. Die Module werden regelmäßig aktualisiert und weiterentwickelt. Die Angebote werden auch in 2024 fortgeführt.
Die Erhebung von gleichgelagerten Straftaten und Identifizierung von gruppendynamischen Vergehen (beispielhaft: Beobachtungen im Bereich des Limbecker Platzes und einer strafrechtlich erheblich auffälligen Mädchengruppe) führten dazu, dass in Kooperation mit den für die Jugendlichen und deren Familien zuständigen Institutionen pädagogische und auch in manchen Fällen sanktionierende Maßnahmen entwickelt wurden.
Initiative „Kurve kriegen“
Im Oktober 2016 startete die Initiative „Kurve kriegen“ im Polizeipräsidium Essen. Seitdem arbeiten in der Initiative zwei Sachbearbeiter der Ermittlungsgruppe Jugend mit drei pädagogischen Fachkräften der Arbeiterwohlfahrt Essen als sogenanntes multiprofessionelles Team zusammen. Mit dem Einzug der Polizei (Ermittlungsgruppe Jugend) in das Haus des Jugendrechts Essen wurde auch die Landesinitiative „Kurve kriegen“ Teil des Hauses. Der Leitgedanke der Landesinitiative „Kurve kriegen“ ist das möglichst frühzeitige Erkennen und Verhindern von sich abzeichnenden Intensivtäterkarrieren, um gezielt mit erzieherischen Maßnahmen und Hilfen präventiv und nachhaltig einzuwirken. Daher liegt der Fokus vorwiegend auf dem Alterssegment der 8- bis 15-Jährigen. Potenzielle Teilnehmer:innen müssen vor ihrer Aufnahme strafrechtlich in Erscheinung getreten sein (eine Gewalttat oder drei Eigentumsdelikte).
Bis Dezember 2023 haben 96 Kinder und Jugendliche aus Essen/Mülheim an „Kurve kriegen“ teilgenommen oder werden aktuell noch durch Maßnahmen betreut. Der Altersdurchschnitt liegt zwischen 12 und 13 Jahren. Die Mehrheit der Teilnehmenden ist männlich. Stand Dezember 2023 haben 43 Teilnehmer*innen die Initiative „Kurve kriegen“ erfolgreich durchlaufen. 22 Teilnehmer:innen brachen die Betreuung ab; neun davon wurden ins Intensivtäterprogramm überführt. Im April 2020 wurde „Prävention von Clankriminalität – Projekt „360°“ Integration, Orientierung, Perspektiven! – Maßnahmen zur Vorbeugung von Clankriminalität“ als weiteres präventives Projekt umgesetzt. Derzeit werden in Essen sieben Kinder aus oben angeführten Familien pädagogisch betreut.