Ex-VW-Chef Winterkorn: Bin weder Softwareexperte noch Motorenentwickler

Im Prozess um die Aufarbeitung des Dieselabgasskandals hat der frühere VW-Chef Martin Winterkorn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe umfassend zurückgewiesen.

Martin Winterkorn bleibt dabei: Er habe als Konzernchef von Volkswagen in erster Linie strategische Entscheidungen getroffen – Kenntnis von der Betrugssoftware in Dieselmotoren habe er nicht gehabt. Er sei „kein Spezialist für Abgasreinigung und auch kein Softwareexperte, der sich mit der Steuerung von Motoren und Abgasreinigungssystemen befasst hat“, sagte der 77-Jährige vor dem Landgericht Braunschweig.

Winterkorn äußerte sich am Mittwoch in einer langen Einlassung in dem Strafprozess erstmals umfassend selbst zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Es ist eine gewaltige Menge an Material, die das Landgericht zusammengetragen hat, drei Anklagen wurden gebündelt. Winterkorn muss sich im Zuge des Dieselabgasskandals wegen Vorwürfen des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs, der Falschaussage und der Marktmanipulation verantworten.

Die Anklage wirft ihm vor, schon vor dem öffentlichen Bekanntwerden vom Einsatz der Betrugssoftware gewusst und nicht gehandelt zu haben. Doch das sei falsch und ihm auch gar nicht möglich gewesen, da er kein Motorentwickler und kein Softwareexperte sei, so legte Winterkorn es dar. Folglich habe er damals auch nicht verstanden, worin die technischen Probleme lagen. ,Er habe auch nicht erkannt, „dass VW schon seit einigen Jahren mit regelwidrigen Softwareapplikationen in den USA auf dem Markt war“. Dazu erforderliche Erläuterungen seiner Techniker habe er nicht erhalten.

Persönlich getroffen und gesundheitlich gezeichnet wirkte Winterkorn vor Gericht, große Teile seiner Einlassung ließ er von der Verteidigung verlesen, Anreise und erster Prozesstag hätten ihn doch sehr angestrengt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, er habe gebotene Handlungen unterlassen, Kunden und Aktionäre getäuscht und geschädigt und sich damit strafbar gemacht, treffe ihn „ganz erheblich“, führte Winterkorn aus.

Als VW-Chef habe er seine umfangreichen Aufgaben „durchaus mit Erfolg erfüllt“ und den Konzern zu einem der erfolgreichsten Automobilunternehmen der Welt gemacht. Er sei auch immer bestrebt gewesen, ein „guter Unternehmensführer“ und den Beschäftigten ein Vorbild zu sein. Auf korrektes Verhalten habe er Wert gelegt ebenso wie auf Verlässlichkeit.

Er habe dann mit seinem Rücktritt 2015 und auch finanziell „Verantwortung für dieses Desaster“ übernommen. „Ich halte es aber für fernliegend, mir einen strafrechtlichen Vorwurf zu machen, wie es die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit ihren Anklagen versucht.“

Auch sein Verteidiger Felix Dörr hatte zuvor gesagt, von den Vorwürfen sei „wenig bis gar nichts belegt“. Die Anklage sei „wenig ergiebig“ und blende etwa technische Fragen komplett aus. Mit gleich drei Anträgen erbat die Verteidigung zusätzliche Hinweise und Informationen zu den gegen Winterkorn erhobenen Vorwürfen, etwa genau Angaben zu den Käufern und Kaufverträgen der manipulierten Dieselautos.

Der Prozess hatte am Dienstag begonnen, nachdem er jahrelang vorbereitet und mehrfach verschoben worden war. Angesetzt sind bis zum Herbst kommenden Jahres rund 90 Verhandlungstermine.

Denkbar ist aber auch ein sogenannter „Deal“, also eine Verständigung im Strafverfahren. Dabei könnte zum Beispiel gegen ein Geständnis das Verfahren gegen eine Geldauflage eingestellt oder mit einer Bewährungsstrafe beendet werden. Der Vorsitzende Richter Johannes Mühe führte bereits am ersten Prozesstag aus, welche Gespräche es dazu vor dem Prozess zwischen Anklage, Verteidigung und Gericht gab. Bislang kam ein Deal jedoch nicht zustande.
© AFP

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