In der Bundestagsdebatte nach der Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sind Differenzen der Koalition im Umgang mit der Schuldenbremse offenkundig geworden. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich forderte am Dienstag im Plenum auch für den Haushalt 2024 ein Aussetzen der Verschuldungsregel. Zur Begründung verwies Mützenich auf die anhaltenden Folgen des russischen Kriegs in der Ukraine. Zudem brauche das Land „Zukunftsinvestitionen“.
Über die Etataufstellung 2024 hinaus forderte der SPD-Fraktionschef „grundsätzliche Korrekturen an der Schuldenbremse“. Die Verschuldungsgrenze im Grundgesetz sei eine „wahllos gegriffene politische Größe“, bei der sich die Frage stelle, ob sie noch „angemessen ist angesichts der Herausforderungen dieser Zeit“.
Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das einen Teil der Haushaltsplanung des Bundes für verfassungswidrig erklärte, stellte Mützenich die Frage: „Hat nicht sogar die Schuldenbremse diese Haushaltsführung provoziert?“
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sprach sich in seiner Rede hingegen dafür aus, die Schuldenbremse zu verteidigen. „In der Koalition gibt es unterschiedliche Meinungen dazu“, sagte der FDP-Politiker. „Die Schuldenbremse ist unter Duck geraten.“ Dürr verwies auf Umfragen, denen zufolge die Schuldenbremse „bei den Menschen im Land außerordentlich beliebt“ sei.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte, dass sich Kanzler Scholz in seiner Regierungserklärung nicht in der Frage des Umgangs mit der Schuldenbremse im kommenden Etat positioniert hatte. „Ich hätte erwartet, dass sie ein klares Bekenntnis abgeben, dass Sie die Schuldenbremse 2024 einhalten“, sagte der CSU-Politiker.
Dobrindt kritisierte Mützenichs Forderung nach nochmaliger Aussetzung der Schuldenbremse als „verstörend“. Die Union werde „nicht die Hand dafür reichen, dass die Abschaffung der Schuldenbremse legalisiert wird“.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge wies in ihrer Rede darauf hin, dass Regierungschefs der Union in den Ländern – anders als die Spitzen der Unionsfraktion im Bund – konstruktive Vorschläge zur Reform der Schuldenbremse machten. Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) fordere hingegen Kürzungen bei Bürgergeld und Kindergrundsicherung. Dies sei „wirklich schäbig“, betonte Dröge.
Zur Etatplanung 2024 hatte Scholz in seiner Rede lediglich gesagt, die Bundesregierung werde sich Zeit nehmen, „vorhandene Spielräume im Haushalt auszuloten, Schwerpunkte zu setzen und natürlich auch Ausgaben zu beschränken“.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte die Schuldenbremse in seiner Plenarrede als „Anschlag auf die Zukunft“. Er warf der Koalition vor, durch eine verfassungswidrige Haushaltsplanung eine „veritable Regierungskrise“ verursacht zu haben. An den Bundeskanzler gerichtet sagte er: „Sie tragen die Verantwortung für die Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen in diesem Land.“
AfD-Chefin Alice Weidel sieht Deutschland nach zwei Jahren Ampel-Regierung „am Rand der Zahlungsunfähigkeit“. Diese habe versucht, ihre Politik durch einen beispiellosen „Verfassungsbruch“ zu finanzieren. Und für ihre Wirtschaftspolitik müssten Mittelstand, Bürger und Rentner bluten. Deutschland brauche „eine neue Regierung, um aus diesem Krisensumpf herauszukommen“, sagte Weidel. Sie forderte Scholz auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen.
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