Merkels Memoiren sind da – Altkanzlerin bei manchen Themen mit Partei über Kreuz

Nach einer minutiös geplanten Werbekampagne mit Vorabdruck und Interviews sind am Dienstag die Memoiren von Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) erschienen.

Darin setzt sie sich in einigen Punkten von der aktuellen Linie ihrer Partei ab, etwa bei der Atomkraft. In dem mehr als 700 Seiten langen Werk mit dem Titel „Freiheit“ beleuchtet Merkel ihr Leben von ihrer Geburt bis zum Ausscheiden aus dem Amt.,Die aktuelle Parteispitze widersprach am Dienstag einzelnen Äußerungen Merkels in dem Buch. Dort heißt es unter anderem: „Ich kann Deutschland auch für die Zukunft nicht empfehlen, wieder in die Nutzung der Kernenergie einzusteigen.“

Dagegen sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“ auf die Frage, ob er Merkels Ansicht teile: „Im Gegenteil, da bin ich offen, bin offen für Kernfusion.“ Diese Technologie ist bisher nicht kommerziell verfügbar. Linnemann sagte zudem, es könne durchaus geprüft werden, ob stillgelegte Atomkraftwerke wieder hochgefahren werden sollten.

Auch zur Schuldenbremse, die während ihrer Kanzlerschaft ins Grundgesetz kam, äußert sich Merkel in dem Buch. „Die Idee der Schuldenbremse“ bleibe zwar richtig, heißt es dort. „Um aber Verteilungskämpfe in der Gesellschaft zu vermeiden und den Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung gerecht zu werden, muss die Schuldenbremse reformiert werden, damit die Aufnahme höherer Schulden für Zukunftsinvestitionen möglich wird.“

Im Interview mit den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) fügte Merkel hinzu, wichtig sei eine Reform, „die Schulden nur für Investitionen zulässt und nicht für weitere soziale Ausgaben“. Ähnlich hatte es zuletzt auch CDU-Chef Friedrich Merz gesehen. Linnemann äußerte sich am Dienstag zurückhaltender. Er stehe zur Schuldenbremse, sagte er RTL und ntv. „Die Politik muss lernen, mit dem Geld, was sie einnimmt, umzugehen.“

Merkels Buch, das in mehr als 30 Ländern gleichzeitig erschien, ist insgesamt in fünf Abschnitte unterteilt: Zunächst geht es um ihr Leben in der DDR bis 1989. Der zweite Teil widmet sich den Umbrüchen der Jahre 1989 und 1990. Es folgt der Zeitraum bis zum Jahr 2005, als Merkel erstmals zur Kanzlerin gewählt wurde. Danach geht es um ihre Regierungszeit bis 2015 – dieser Abschnitt endet mit Merkels Entscheidungen in der Flüchtlingskrise. Der letzte Teil beleuchtet ihre weiteren Regierungsjahre bis Dezember 2021.

Bereits vorab waren Auszüge des Buchs bekannt geworden, in denen Merkel ihre Vorgehensweise in Bezug auf Russland und die Ukraine rechtfertigt. Den RND-Zeitungen sagte sie dazu: „Ich stelle meine Entscheidungen nicht infrage. Ich kann aber gut verstehen, dass Menschen, die sehen, was Putin in der Ukraine anrichtet, mir Fehler vorhalten. Damit muss ich leben.“

Grundsätzlich mache sie „keinen Rückzieher von meinen Entscheidungen“, sagte die Altkanzlerin. „Ich bin manchmal betrübt, dass oft der Wille fehlt, sich in die Zeit zurückzuversetzen.“

In dem Buch schildert Merkel auch Details abseits der großen Politik. So berichtet sie beispielsweise, wie sie nach ihrer Verabschiedung mit dem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr mit ihrem Ehemann Joachim Sauer und „wenigen Freunden“ im Kanzleramt „Würstchen, Bouletten und Kartoffelsalat“ speiste.
© AFP

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