Kritik aus SPD und Grünen an Bürgergeld-Streichung für Job-Verweigerer

Die Bundesregierung will die Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger, die einen Job ablehnen, deutlich verschärfen. 

Der Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Bürgergeld-Empfängern bei Arbeitsverweigerung zeitweise die Unterstützung komplett zu streichen, stößt in Teilen der SPD und bei den Grünen auf Kritik. Der Grünen-Arbeitsmarktexperte Andreas Audretsch warnte am Freitag im „Spiegel“ davor, zu überziehen. „Das Bundesverfassungsgericht hat im November 2019 zu Sanktionen geurteilt und strenge Vorgaben für die Kürzung des Existenzminimums gemacht“, sagte Audretsch.

Heil hatte der „Bild“-Zeitung gesagt, die Bundesregierung wolle die „Sanktionsmöglichkeiten gegen Totalverweigerer“ verschärfen. Wie die „Bild“ am Freitag berichtete, plant Heil, denjenigen die Regelleistung bis zu zwei Monate lang komplett zu streichen, die jegliches Arbeitsangebot ablehnen. Lediglich die Wohnkosten soll demnach der Staat weiterhin übernehmen, damit die Betroffenen nicht obdachlos werden.

Aktuell dürfen die Jobcenter nur Sanktionen bis maximal 30 Prozent verhängen. Diese Grenze ist eine Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2019, das damals geltende Sanktionen als verfassungswidrig eingestuft hatte.

„Artikel eins unseres Grundgesetzes garantiert allen Menschen in Deutschland ein Leben in Würde“, sagte der Grünen-Arbeitsmarktexperte Audretsch. „Anhand dieser Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden wir jeden Vorschlag zur Reform prüfen und messen“, kündigte er an.

Der dem linken Parteiflügel der SPD angehörende Sebastian Roloff sagte dem „Spiegel“, er sei ohnehin „kein Fan“ der Idee gewesen, die im Zuge des Karlsruher Haushaltsurteils gestrichenen Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds „bei den Schwächsten zu kompensieren“. „Jetzt jenseits des Bundesverfassungsgerichts eine komplette Streichung für zwei Monate vorzuschlagen, verwundert doch sehr. Auch eingedenk der Position der SPD“, sagt Roloff, der Mitglied im SPD-Parteivorstand ist.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Erik von Malottki sagte dem „Spiegel“, es sei „nicht hinnehmbar, dass Menschen in unserem Land über zwei Monate keinerlei Mittel zur Existenzsicherung mehr haben“.

Die Grüne Jugend kritisierte den Vorstoß des Arbeitsministers als „menschenunwürdig“. Katharina Stolla, Co-Chefin der Grünen Jugend, sagte dem „Spiegel“, Heil untergrabe selbst die Zustimmung zum Sozialstaat, „indem er mit diesem Vorstoß ein allgemeines Misstrauen gegenüber Arbeitslosen noch weiter befeuert“. Statt Kürzungen vorzunehmen, sei es nötig, dass der Sozialstaat „großflächig ausgebaut“ werde. Alles andere sei „unehrlich und ignorant gegenüber den vielen Menschen, die durch persönliche Schicksale und komplizierte Biografien auf Sozialhilfe angewiesen“ seien.

Heil hatte der „Bild“ gesagt, es könne „nicht sein, dass eine kleine Minderheit das ganze System in Verruf bringt“. Er betonte, dass die „überwältigende Mehrheit“ der Leistungsbezieher konstruktiv mitarbeite. „Wer aber nicht mitzieht und sich allen Angeboten verweigert, muss mit härteren Konsequenzen rechnen“, sagte der Minister.

Die 100-Prozent-Sanktion für Totalverweigerer hält das Bundesarbeitsministerium dem „Bild“-Bericht zufolge trotz des Bundesverfassungsgerichtsurteils von 2019 für verfassungskonform. Nach Informationen der Zeitung argumentiert das Ministerium regierungsintern mit einer Sonderregelung, wonach eine vollständige Streichung zulässig sei, wenn sich ein Leistungsempfänger willentlich und ohne wichtigen Grund weigere, ein konkret bestehendes Angebot einer zumutbaren Arbeit anzunehmen. Diese Regelung werde jetzt genutzt.
© AFP

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