Etwas mehr ein Jahr nach dem tödlichen Amoklauf in einem Gotteshaus der Religionsgemeinschaft Zeugen Jehovas in Hamburg hat die Generalstaatsanwaltschaft der Hansestadt ihre Ermittlungen gegen einen früheren Mitarbeiter der Waffenbehörde eingestellt. Wie die Behörde am Donnerstag mitteilte, ließ sich der Verdacht fahrlässiger Tötung und Körperverletzung nicht erhärten.
Demnach hatte der Beschuldigte gegenüber seinen Dienstvorgesetzten zwar Hinweise verschwiegen, die er aus dem Umfeld des späteren Amokläufers Philipp F. zu psychischen Auffälligkeiten erhalten hatte. Damit verstieß er auch gegen beamtenrechtliche Pflichten. Nach Feststellungen der Staatsanwaltschaft wäre F. aber auch bei korrektem Vorgehen des Beschuldigten nicht zwingend vor dem Amoklauf die Tatpistole entzogen worden. Das Strafverfahren gegen den Mitarbeiter der Behörde sei deshalb laut Gesetz einzustellen gewesen.
F. hatte am 9. März vergangenen Jahres in einer Kirche der Zeugen Jehovas in Hamburg sieben Menschen und anschließend sich selbst erschossen. Der 35-Jährige war früher selbst Mitglied der Religionsgemeinschaft gewesen. Die bei dem Amoklauf verwendete Pistole besaß er als Mitglied in einem Schützenverein rechtmäßig. Nach der Tat wurde bekannt, dass es aus dem Umfeld von F. vor der Amoktat Hinweise an die Waffenbehörde gegeben hatte.
Laut Generalstaatsanwaltschaft informierte der Bruder von F. rund zwei Monate vor der Tat den Schützenverein über psychische Auffälligkeiten, woraufhin ein Verantwortlicher des Vereins sich zunächst privat an den ihm bekannten Mitarbeiter der Waffenbehörde wandte. Dieser ließ dem Bruder ausrichten, er solle sich mit einem Hinweis an die Behörde wenden.
Das von dem Bruder daraufhin verfasste anonyme Schreiben ging demnach „im Zuge einer längeren Bearbeitungskette“ Ende Januar innerhalb der Behörde an den Mitarbeiter, der sein Wissen zu den mutmaßlichen Hintergründen aber nicht an seine Vorgesetzten weitergab. Diese ordneten Anfang Februar rund einen Monat vor der Tat daraufhin nur eine Aufbewahrungskontrolle bei F. an, um den korrekten Umgang mit Waffe und Munition zu überprüfen.
Eine Strafverfolgung des Mitarbeiters scheidet laut Staatsanwaltschaft aber aus, weil nicht zweifelsfrei feststeht, ob eine Beschlagnahmung der Waffe wegen Verdachts auf eine psychische Erkrankung bei Weiterleitung sämtlicher Informationen vor dem Amoklauf rechtlich möglich gewesen wäre.
Die einschlägigen Gesetzestexte sowie eigens eingeholte Rechtsgutachten lieferten keine klare Antwort, erklärte die Ermittlungsbehörde. In der Regel sei zuvor die Einholung eines psychiatrischen Fachgutachtens nötig. Dieses aber hätte vor der Tat vom 9. März wahrscheinlich nicht vorgelegen.
Bereits im Februar hatte die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen drei Vertreter des Schützenvereins von F. wegen geringer Schuld eingestellt. Dabei ging es um Vorwürfe wegen des Ablaufs der sogenannten Sachkundeprüfung, die den späteren Amoktäter zum Erwerb seiner Pistole berechtigte. Er durfte Teile der praktischen Schießprüfung wiederholen, zudem wurde der Prüfungsablauf offiziell nur unvollständig dokumentiert.
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