Begleitet von scharfer Kritik hat das Bundeskabinett am Mittwoch eine Reform des Zeitvertragsgesetzes in der Wissenschaft beschlossen. Die Novelle soll für mehr Planbarkeit bei Karrieren in der Wissenschaft sorgen, Befristungen eindämmen sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) bleibt der Gesetzentwurf weit hinter den Zusagen der Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag zurück. Auch die SPD-Bundestagsfraktion sieht Nachbesserungsbedarf.
Viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind unter prekären Bedingungen an deutschen Hochschulen oder Forschungseinrichtungen beschäftigt. Sie haben lediglich befristete Verträge ohne Gewissheit über eine spätere Festanstellung. Mit der Reform will die Bundesregierung dies ändern und damit auch die Attraktivität der Arbeit in der Wissenschaft erhöhen sowie deren Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit stärken.
Das Gesetz sieht auch Mindestvertragslaufzeiten von einem Jahr für studentisch Beschäftigte vor; Erstverträge vor einer Promotion sollen mindestens drei Jahre laufen, Erstverträge nach einer Promotion mindestens zwei Jahre, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte.
Für die entscheidende Karrierephase nach der Promotion soll ein „4+2-Modell“ eingeführt werden. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will die Höchstbefristungsdauer in der Qualifizierungsphase nach der Promotion von sechs auf vier Jahre senken. Spätestens dann soll klar sein, ob die Betreffenden eine Perspektive auf eine dauerhafte Beschäftigung in der Wissenschaft haben, beispielsweise auf eine Professur.
Eine weitere Befristung von bis zu zwei Jahren soll demnach nur mit einer Anschlusszusage auf ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis möglich sein; hierfür müssen aber vorher vereinbarte Leistungen erfüllt werden.
DGB-Vize Elke Hannack kritisierte, dass es nach einer weiteren zweijährigen Befristung den unbefristeten Anschlussvertrag nur „für den Fall der Bewährung“ gebe. „Wir brauchen Dauerstellen für Daueraufgaben in Lehre und Forschung und für Promovierende Verträge, die den tatsächlichen Promotionszeiten entsprechen“, betonte Hannack.
Ein „Bündnis gegen Dauerbefristung“ aus Gewerkschaften und anderen Arbeitnehmervertretungen aus dem Wissenschaftsbetrieb kritisierte, eine wissenschaftliche Laufbahn in Deutschland sei immer weniger attraktiv. In der gemeinsamen Erklärung fordern die insgesamt 19 Organisationen, nach der Promotion müsse es bei Erfüllung festgelegter Kriterien entweder unbefristete Stellen oder eine verbindliche Zusage zur Entfristung geben.
Außerdem fordert das Bündnis die vorgesehene „Streichung der Tarifsperre“. Gewerkschaften und Arbeitgeber müssten wie in anderen Branchen auch Verbesserungen für die Beschäftigten in der Wissenschaft aushandeln dürfen.
Die Organisationen kündigten an, gegen die Pläne protestieren zu wollen. Mehr als 5000 Unterschriften seien bisher in einer Petition gegen den Gesetzentwurf gesammelt worden.
Im Koalitionsvertrag von 2021 hatten die Ampel-Parteien angekündigt, „die Vertragslaufzeiten von Promotionsstellen an die gesamte erwartbare Projektlaufzeit knüpfen und darauf hinwirken“ zu wollen, „dass in der Wissenschaft Dauerstellen für Daueraufgaben geschaffen werden“.
Diese Ziele sieht auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft mit dem Gesetzesentwurf nicht umgesetzt. „Statt verbindlicher Mindestvertragslaufzeiten für Zeitverträge gibt es wachsweiche Soll-Bestimmungen“, kritisierte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller. „Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Kinder betreuen, sollen weiterhin der Willkür der Arbeitgeber ausgesetzt bleiben.“
Die SPD-Bildungsexpertin Carolin Wagner begrüßte einige angestrebte Verbesserungen, nannte den Entwurf der Regierung aber „lückenhaft“. Wer in Forschung und Lehre arbeite, müsse früh und verlässlich Klarheit haben, ob er oder sie dauerhaft in der Wissenschaft bleiben könne, erklärte sie. Auch müsse das Gesetz „endlich erlauben, abweichende Tarifvereinbarungen zu treffen, wenn sich Arbeitgeber und Beschäftigte darauf einigen“. Die SPD werde sich im Bundestag für Verbesserungen stark machen.
Die Linken-Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke kritisierte, die Bundesregierung zeige „den Beschäftigten in der Wissenschaft die kalte Schulter“. Die Pläne Stark-Watzingers kämen „am Ende bloß den Arbeitgebern statt den Beschäftigten zugute“.
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