Über verpflichtende Gesundheitstests für Autofahrerinnen und -fahrer sollen in der Europäischen Union künftig weiter die einzelnen Mitgliedstaaten entscheiden. Die Abgeordneten im Europaparlament stimmten am Mittwoch in Straßburg dafür, den EU-Ländern die Wahl zu lassen, ob sie von Führerscheininhabern etwa ärztliche Hör- und Sehtests verlangen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erteilte einer solchen Regelung in Deutschland erneut eine Absage.
Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, dass Autofahrerinnen und -fahrer ihre Fahrerlaubnis alle 15 Jahre neu beantragen und dafür medizinische Tests oder eine Selbstauskunft über ihre Gesundheit vorlegen müssen. Das Parlament sprach sich am Mittwoch dafür aus, dass Mitgliedstaaten selbst über die Testpflichten entscheiden können. Ähnlich hatte sich im Dezember auch der Rat der EU-Länder positioniert.
Verkehrsminister Wissing kritisierte den Vorschlag der Kommission erneut. „Ich halte staatliche Vorgaben, verpflichtende Selbstauskünfte auszufüllen und ärztliche Gutachten zur Fahrtauglichkeit auszustellen, für einen enormen Bürokratie-Aufwand“, sagte er dem „Tagesspiegel“ vom Mittwoch. Bleibt es dabei, dass die Mitgliedstaaten entscheiden, dürfte ein solches Gesetz in Deutschland also vom Tisch sein.
„Die Einführung einer verpflichtenden medizinischen Untersuchung für alle, die einen Führerschein erwerben oder erneuern möchten, ist in der Praxis nicht umsetzbar“, erklärte auch der verkehrspolitische Sprecher der SPD im Europaparlament, Thomas Rudner. Solche Tests seien „eine unverhältnismäßige Belastung für die Bürgerinnen und Bürger“. In Deutschland würde eine solche Vorschrift zudem das Facharztsystem überlasten, fügte Rudner hinzu.
Der Europaabgeordnete Jens Gieseke (CDU) kritisierte, dass ärztliche Tests mit dem am Mittwoch beschlossenen Entwurf weiterhin möglich sind. Bei den Führerscheinregeln hätte es „mehr Pragmatismus und Vertrauen in die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen gebraucht“, erklärte Gieseke.
Zusätzliche Gesundheitstests für Menschen ab 70 Jahren sind im Entwurf des Parlaments nicht mehr vorgesehen. Brüssel hatte ursprünglich vorgeschlagen, von älteren Inhabern einer Fahrerlaubnis alle fünf Jahre eine neue medizinische Einschätzung zu verlangen. Das war in Deutschland und anderen EU-Ländern auf massive Kritik gestoßen.
Die Reform enthält zudem neue Bestimmungen für Fahrprüfungen. Künftig sollen etwa das Fahren bei Schnee und Glätte, die sichere Nutzung eines Handys während der Fahrt und Fahrerassistenzsysteme Teil der Prüfung sein. Für Fahranfänger soll zudem EU-weit eine Probezeit von zwei Jahren gelten.
Den Lkw-Führerschein sollen junge Menschen zudem bereits ab 18 Jahren machen dürfen, bislang liegt das Mindestalter in Deutschland bei 21 Jahren. Jüngere Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer müssen bislang eine zweieinhalbjährige Ausbildung machen.
Das Gesetz geht nun in die Beratungen zwischen Europaparlament und Mitgliedstaaten, die allerdings erst nach den Europawahlen im Juni aufgenommen werden können. Am Verhandlungstisch sitzen dann die Abgeordneten des neu gewählten Parlaments.
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