Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte von April bis Juni um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag mitteilte und damit seine erste Schätzung bestätigte. Im ersten Quartal war das BIP noch um 0,2 Prozent gewachsen. Eine deutliche Besserung ist im laufenden Quartal nicht in Sicht.
Im Frühjahrsquartal von April bis Juni nahmen laut Statistik vor allem die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten deutlich ab: Die Investitionen in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge sanken um 4,1 Prozent, die Investitionen in Bauten um 2,0 Prozent.
Auch vom Außenhandel kamen keine positiven Impulse, wie das Statistikamt weiter mitteilte: Exportiert wurden im zweiten Quartal 0,2 Prozent weniger Waren und Dienstleistungen, die Importe stagnierten.
Der private Konsum sank um 0,2 Prozent, nachdem er zu Jahresbeginn noch um 0,3 Prozent gewachsen war. Die Konsumausgaben des Staates dagegen stiegen deutlich um 1,0 Prozent – insgesamt blieben die Konsumausgaben damit stabil.
Auch aktuell halten die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland ihr Geld eher zusammen. Die Marktforschungsunternehmen GfK und Nürnberg Institut für Marktentscheidungen erklärten am Dienstag, im August habe sich die Konsumstimmung wieder deutlich verschlechtert – „die Euphorie, die die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland ausgelöst hat“, sei offenbar „nur ein kurzes Aufflackern“ gewesen.
Auch die Exportwirtschaft fällt laut einer Umfrage des Ifo-Instituts als Wachstumsmotor für die Wirtschaft vorerst aus: Die Stimmung in der Branche verschlechterte sich demnach im August weiter. „Die Exporteure profitieren gegenwärtig nicht von dem Wirtschaftswachstum in den anderen europäischen Ländern“, erklärte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.
Tatsächlich liegt die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands im internationalen Vergleich hinter der in vielen Staaten zurück, wie das Statistikamt erklärte. In der EU insgesamt etwa stieg das BIP um 0,3 Prozent – in Spanien um 0,8 Prozent, in Frankreich um 0,3 Prozent. In den USA lag der Anstieg im Vergleich zum Vorquartal bei 0,7 Prozent.
Ins Sommerquartal von Juli bis September sei die Konjunktur „ohne großen Schwung gestartet“, erklärte die Chef-Volkswirtin der Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib. Sie geht für das dritte Quartal aber von einem immerhin leichten Wirtschaftswachstum aus.
Auch ING-Analyst Carsten Brzeski will die Hoffnung für die zweite Jahreshälfte nicht aufgeben. Der höchste Reallohnanstieg seit mehr als einem Jahrzehnt könne „die Brieftaschen der Verbraucher öffnen“, erklärte er. Zudem seien die Lagerbestände hoch: „Es braucht nur eine kleine Verbesserung in den Auftragsbüchern der Industrie, um den Lagerzyklus zu drehen und die Industrieproduktion wieder wachsen zu lassen.“
Köhler-Geib erwartet, dass sich die deutsche Wirtschaft in den kommenden Quartalen „nach und nach“ erholen wird; im kommenden Jahr werde das Jahreswachstum wieder deutlich positiv sein. Sie verwies ebenfalls auf die höhere Kaufkraft der privaten Haushalte und auf eine mögliche Stabilisierung der Unternehmensinvestitionen.
Die Reallöhne waren im ersten Quartal um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gestiegen, im zweiten Quartal lag der Anstieg der Netto-Durchschnittsverdienste laut Statistik bei 5,3 Prozent. Dies sei vor allem auf höhere Tarifabschlüsse im Zuge der Inflation sowie auf die Zahlung steuerfreier Inflationsausgleichsprämien zurückzuführen.
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