Deutschlands Wirtschaftsleistung ist im zweiten Quartal leicht gesunken. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte von April bis Juni um 0,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Dienstag in einer ersten Schätzung mitteilte. Im ersten Quartal war das BIP noch leicht um 0,2 Prozent gewachsen.
Im zweiten Quartal nahmen insbesondere die Investitionen in Ausrüstungen und Bauten ab, wie das Statistikamt ausführte. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2023 legte das BIP demnach preisbereinigt um 0,3 Prozent zu – preis- und kalenderbereinigt dagegen sank es um 0,1 Prozent, weil das zweite Quartal 2024 einen Arbeitstag mehr hatte.
„Die deutsche Wirtschaft steckt in der Krise fest“, kommentierte Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut in München. Vor allem in der Industrie lasse die Trendwende auf sich warten. Die Auftragspolster nehmen demnach insgesamt immer weiter ab, und der Industrie fehlt es an Neuaufträgen. Auch beim privaten Konsum laufe die Erholung schleppend.
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben, nannte ähnliche Gründe: „Besonders in der Industrie kommt die Produktion nicht in Gang, vielmehr geht die Kapazitätsauslastung zurück, die Exporte schwächeln und bei den Neuaufträgen im Verarbeitenden Gewerbe herrscht regelrecht Flaute.“
Unter diesen Voraussetzungen sei eine zügige konjunkturelle Erholung in der zweiten Jahreshälfte leider nicht zu erwarten, fügte Wansleben hinzu. Die DIHK rechne jedenfalls in diesem Jahr weiterhin nur mit einem Null-Wachstum.
Auch Ifo-Konjunkturexperte Wohlrabe erwartet „kaum Besserung“ im laufenden dritten Quartal. Er verwies auf den jüngst veröffentlichten Ifo-Geschäftsklimaindex – die Beurteilung der Unternehmen der aktuellen Lage war im Juli auf den tiefsten Wert seit September 2020 gesunken, die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate hatten sich deutlich eingetrübt. Auch der private Konsum dürfte im dritten Quartal „nur wenig zulegen“, erklärte Wohlrabe.
Die Chefvolkswirtin der staatlichen Förderbank KfW, Fritzi Köhler-Geib, erklärte, die wirtschaftliche Erholung stehe auch im laufenden Vierteljahr auf wackligen Füßen, denn das Verarbeitende Gewerbe kämpfe mit einer hartnäckig schwachen Nachfrage nach seinen Produkten. „Der Dienstleistungssektor dürfte jedoch weiter expandieren und auch das Baugewerbe könnte angesichts einer wieder anziehenden Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten den Tiefpunkt überschritten haben“, machte sie ein wenig Hoffnung.
Köhler-Geib verwies zudem darauf, dass die Abschätzung der Wachstumszahlen in Deutschland gerade wegen der laufenden Generalrevision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung erschwert werde. Auch Analyst Carsten Brzeski von der ING erklärte, der größte Nachteil der Schätzung des Statistikamtes bestehe darin, dass für den Monat Juni keine einzelnen harten Daten vorlägen. Eine positive Überraschung und damit eine Aufwärtskorrektur sei „immer noch möglich“.
DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben wies darauf hin, dass andere Länder, „gerade im europäischen Umfeld“, aktuell besser dastünden. Seiner Ansicht nach haben sie „ihre Hausaufgaben gemacht“. Er zählte auf, was die Unternehmen von der Bundesregierung erwarten: eine kosteneffiziente künftige Energieversorgung, Vereinfachungen bei Planungs- und Genehmigungsverfahren, Bürokratieentlastung sowie Senkung der Unternehmenssteuerbelastung.
In den insgesamt 20 Ländern der Eurozone wuchs die Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,3 Prozent zum Vorquartal, wie das Europäische Statistikamt in Luxemburg mitteilte. Besonders stark legte das BIP etwa in Spanien mit 0,8 Prozent zu. Auch die anderen großen Euroländer Frankreich und Italien erreichten mit 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozent positive Wachstumsraten.
„Es braucht eine Stimmungsaufhellung bei Unternehmen und Verbrauchern, damit die deutsche Wirtschaft wenigstens wieder an die Entwicklung der Nachbarländer anschließen kann“, kommentierte der Chefvolkswirt der DZ Bank, Michael Holstein. „Hier ist vor allem die Wirtschaftspolitik gefragt. Weniger Bürokratie und niedrigere Unternehmenssteuern sind notwendig.“
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