„Deutlich bessere Arbeitsbedingungen“: Böckler-Stiftung wirbt für Tarifbindung

Vor dem Tag der Arbeit am 1. Mai hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung vor den negativen gesellschatlichen Folgen einer zunehmenden Aushöhlung der Tarifbindung gewarnt.

Vor dem Tag der Arbeit am 1. Mai hat die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung vor den gesellschaftlichen Folgen einer zunehmenden Aushöhlung der Tarifbindung gewarnt. Der Rückgang der Tarifbindung seit der Jahrtausendwende habe „negative Konsequenzen für die Beschäftigten und die Kaufkraft breiter Bevölkerungsschichten“, erklärte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Stiftung am Montag. Es hob hervor, dass Betriebe mit Tarifvertrag „deutlich bessere Arbeitsbedingungen als vergleichbare Betriebe ohne Tarifbindung“ böten – mit Vorteilen auch für die Arbeitgeber.

Laut einer Studie des WSI arbeiten Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Betrieben im Mittel wöchentlich 53 Minuten länger und verdienen trotzdem gut zehn Prozent weniger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifbindung, die sich hinsichtlich der Betriebsgröße, des Wirtschaftszweiges, der Qualifikationsstruktur der Beschäftigten und des Standes ihrer technischen Anlagen nicht unterscheiden. Über das Jahr gesehen entspreche dies für Beschäftigte ohne Tarifvertrag „gut einer zusätzlichen Arbeitswoche, wobei ihnen auf dem Konto gleichzeitig mehr als ein volles Monatsgehalt fehlt“.

Für die Studie wertete das WSI Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit aus. Demnach ist bei den Löhnen der Rückstand der tariflosen Betriebe insbesondere in Ostdeutschland sehr ausgeprägt. In Brandenburg verdienten Beschäftigte in tariflosen Betrieben rund 15 Prozent weniger als jene in vergleichbaren Betrieben mit Tarifvertrag. Auch in Sachsen sei der Rückstand der tariflosen Beschäftigten mit fast 14 Prozent „überdurchschnittlich hoch“.

Bei der Arbeitszeit seien hingen die Unterschiede in einigen westdeutschen Bundesländern „besonders eklatant“, erklärte das WSI weiter. Grund ist demnach, dass die Gewerkschaften hier bereits in den 80er und frühen 90er Jahren „deutliche Arbeitszeitverkürzungen“ hätten durchsetzen können, „die freilich nur auf tarifgebundene Betriebe Anwendung finden“. Am größten ist laut der Studie die Differenz in Baden-Württemberg, wo Vollzeitbeschäftigte in tariflosen Unternehmen regulär fast anderthalb Stunden (83 Minuten) pro Woche länger arbeiten.

Dass es seit der Jahrtausendwende einen schleichenden Rückgang der Tarifbindung gebe, wirke sich über den Kaufkraftverlust der Beschäftigten indirekt auch auf die Einnahmen von Sozialversicherungen und öffentlicher Hand aus, erklärte das WSI zudem. Während im Jahr 2000 laut der Studie noch mehr als zwei Drittel der Beschäftigten (68 Prozent) in Deutschland in tarifgebundenen Betrieben beschäftigt waren, lag dieser Anteil 2023 nur noch bei 49 Prozent.

Studien-Mitautor Malte Lübker vom WSI warb dafür, „für einen Tarifvertrag zu kämpfen“. Dies mache sich für die Beschäftigten „direkt bezahlt – und schafft für unser Land ein Stück mehr Gerechtigkeit“.

Gerade in Zeiten von Fachkräfteengpässen am Arbeitsmarkt könne Tarifbindung dabei auch für Arbeitgeber von Vorteil sein. „Wer als Arbeitgeber tarifgebunden ist, bekennt sich klar zu fairen Löhnen und geregelten Arbeitsbedingungen“, erklärte Lübker. Das mache einen Arbeitgeber für Stellensuchende interessant – und könne die Belegschaft davon abhalten, zur Konkurrenz abzuwandern.
© AFP

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