Bei der Aufteilung von Berufstätigkeit und Sorgearbeit in der Familie klaffen Wunsch und Wirklichkeit bei vielen Eltern in Deutschland auseinander. Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) in Wiesbaden am Mittwoch mitteilte, sprechen sich einer aktuellen Studie zufolge mehr Eltern für eine gleichberechtigte Aufteilung von Kinderbetreuung, Hausarbeit und Berufstätigkeit aus, als dies dann tatsächlich umgesetzt wird.
An der Studie war neben dem BIB auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beteiligt. Den Ergebnissen zufolge bevorzugen deutlich mehr Befragte ein Aufteilungsmodell, in dem beide Elternteile etwa 30 Stunden pro Woche erwerbstätig sind, als dies gelebt wird. Dies gelte auch für das Modell einer Vollzeittätigkeit beider Elternteile.
Umgekehrt verhalte es sich mit dem sogenannten Familienernährermodell, das seltener als ideal gesehen wird, dafür aber in der Realität häufiger vorkommt. Bei dem Modell arbeitet der Vater in Vollzeit, die Mutter hingegen gar nicht. Ähnlich sieht es mit dem sogenannten Zuverdienermodell aus. Dabei ist die Mutter maximal in Teilzeit erwerbstätig.
Die der Studie zugrunde gelegten Daten wurden für West- und Ostdeutschland getrennt ausgewertet. Demzufolge gibt es im Osten mehr Zustimmung für gleichgestellte Erwerbsmodelle als im Westen. Vor allem die Arbeit in Vollzeit beider Elternteile wird in Ostdeutschland mit bis zu 62 Prozent deutlich häufiger befürwortet als in Westdeutschland mit bis zu 38 Prozent. Der genaue Zustimmungswert hänge dabei vom Alter des Kinds an.
Die Umsetzung des Vollzeitmodells liegt in Ostdeutschland zudem weniger stark zurück als im Westen. So werde das Vollzeitmodell im Osten mit bis zu 43 Prozent umgesetzt, im Westen mit maximal 16 Prozent.
Das Modell mit maximal 30 Arbeitsstunden für Vater und Mutter sehen im Osten bis zu 30 Prozent als ideal an. Im Westen sind es bis zu 27 Prozent. In der Realität spielt dieses Modell mit rund sechs Prozent in beiden Landesteilen aber kaum eine Rolle.
„Die Mehrheit der befragten Personen sieht eine gleichberechtigte Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern als optimal an“, erklärte Ludovica Gambaro vom BIB. „Aber die Eltern schaffen es nicht, mit diesem Ideal Schritt zu halten“, fügte sie hinzu.
Wichtiger Grund für die mangelnde Umsetzung sei das deutsche Steuer- und Transfersystem, erklärte Katharina Wrohlich vom DIW. Sie verwies unter anderem auf das Zusammenspiel von Ehegattensplitting und Minijobs sowie auf den Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern. Dies mache ein Zuverdienermodell mit einem in Vollzeit tätigen Mann und einer Frau mit Minijob finanziell am attraktivsten.
Die Studienautorinnen sehen deshalb Handlungsbedarf auf mehreren Feldern. Neben einer Reform des Ehegattensplittings und einer weitgehenden Abschaffung von Minijobs gehe es vor allem auch um eine „bedarfsgerechte Kinderbetreuungsinfrastruktur für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr bis zum Alter von zwölf Jahren“, erklärte BIB-Direktorin Katharina Spieß. Auch der Ausbau von Ganztagsgrundschulen müsse beschleunigt werden.
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