Eröffnung von Frankfurter Buchmesse: Verlagsbranche kritisiert Bildungspolitik

Vor dem Beginn der Frankfurter Buchmesse hat die deutsche Verlagsbranche scharfe Kritik an der Bildungspolitik geübt.

Lesekompetenz sei „Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe und wirtschaftliche Stabilität“, betonte die Vorsteherin des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, am Dienstag in Frankfurt am Main. Allerdings verlasse in Deutschland noch immer jedes vierte Kind die Grundschule, ohne richtig zu lesen zu können. Die Politik müsse daher handeln. „Der Bildungsnotstand in diesem Land nimmt weiter zu.“

Das habe Auswirkungen auf wirtschaftliche Perspektiven und sei gefährlich für die Demokratie, fügte Schmidt-Friderichs an. „Wehrhafte Demokratie ist nur möglich, wenn sich Bürger eine fundierte Meinung zu politischen Themen bilden können.“ An Bildung, Kultur und Leseförderung dürften daher auch in Zeiten knapper Haushalte nicht gespart werden, mahnte die Verlegerin bei der Eröffnungspressekonferenz für die Messe in der hessischen Metropole an.

Die Frankfurter Buchmesse gilt als eines der größten Branchentreffen der Welt. Sie wird am Dienstagnachmittag offiziell eröffnet und dauert bis Sonntag. Gastland der 76. Ausgabe der Buchmesse ist Italien. Sie wird von einem breiten Rahmenprogramm flankiert, etwa Diskussionsveranstaltungen zu aktuellen gesellschafts- und kulturpolitischen Themen. Ein Höhepunkt ist die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels zum Messeabschluss am Sonntag an die US-polnische Journalistin und Historikerin Anne Applebaum.

Zu den bei der Messe thematisierten Entwicklungen zählt unter anderem auch die wachsende Bedeutung von Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz (KI). Schmidt-Friderichs kritisierte in diesem Zusammenhang die unentgeltliche Nutzung von urheberrechtlich geschützten künstlerischen Werke durch die Anbieter hinter Chatbots wie ChatGPT. „Die Fähigkeiten dieser Systeme basieren auf dem größten Datenklau der Geschichte“, sagte die Verlegerin.

Softwarekonzerne setzten Texte und Bilder „millionenfach“ ohne Erlaubnis oder Vergütung „als Trainingsmaterial für KI“ ein, fügte die Vorständin des Börsenvereins an. Die Politik müsse klare Regeln setzen. Insgesamt stünden Branche wie Gesellschaft mit Blick auf KI erst am Anfang der nötigen Debatte.

Auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren sich Verlage und Schriftsteller aus aller Welt, auch zahlreiche Neuerscheinungen werden dort traditionell vorgestellt. Allein aus dem Gastland Italien sind mehr als 90 Autorinnen und Autoren angekündigt. Autorenvereinigungen, Menschenrechtsorganisationen und sogar die Vereinten Nationen seien eingebunden, sagte Messechef Juergen Boos bei der Eröffnungspressekonferenz. Es gehe in den kommenden Tagen um „die wunden Punkte der Gegenwart aus literarischer Perspektive“.

Eröffnet wird die Messe unter dem Titel „FBM24 is Read!ng – Read. Reflect. Relate“ am Nachmittag im Beisein von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und Italiens Kulturminister Alessandro Giuli. Ab Mittwoch ist die Messe für Fachbesucher geöffnet, ab Freitag auch für das breitere Publikum.

Bereits am Montagabend wurde in Frankfurt am Main der Deutsche Buchpreis für den Roman des Jahres verliehen. Er ging an die in Leipzig lebende Autorin Martina Hefter für ihr um Liebesbetrug und Täuschung in Onlinenetzwerken kreisendes Werk „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis ist eine der wichtigsten Literaturauszeichungen des Landes.

Die Buchmesse dient auch als wichtiger Handelsplatz für Rechte an Inhalten. Nach Angaben von Boos sind deshalb unter anderem Computerspielfirmen dort vertreten, der Videostreaminganbieter Netflix hat einen eigenen Stand.

Den Wert von Literatur und Journalismus betonte zum Messeauftakt am Dienstag auch die britisch-türkische Erfolgsautorin Elif Shafak. Durch soziale Netze und Internetsuchmaschinen lebten Menschen heute zwar in einer Welt vieler Informationen. Dies sei etwas anderes als Wissen oder gar Weisheit, sagte Shafak als Gastrednerin bei der Pressekonferenz. Beides zu erwerben brauche Ruhe. Schriftstellern, ihren Werken und Recherchen komme daher eine wichtige Rolle zu. Literatur sei außerdem „ein Akt der Hoffnung und des Widerstands“.
© AFP

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