Krefeld: Haus Lange zeigt „Teilweise möbliert, exzellente Aussicht.“

„...und er klebte und klebte und klebte" - so beschrieb eine Krefelder Tageszeitung im Frühjahr 1971 die Vorbereitungen von Verpackungskünstler Christo in und um Haus Lange.

Krefeld – Fenster für Fenster, die Heizkörper, Vitrinen und Wandsockel in der Bauhaus-Villa verschwanden unter dem Packpapier. Die Innenräume und die Wege des Parks legte der Künstler mit Stoffbahnen aus. „Christo hat im Grunde nur etwas verpackt, um anderes stärker sichtbar und erlebbar zu machen“, hieß es im Zeitungsbericht. Nun kehrt Christos und viele Erinnerungen an andere ganzvolle Kunstaktionen zurück i das Haus Lange. Die Ausstellung „Teilweise möbliert, exzellente Aussicht.“ blickt auf die ortsspezifische Kunst in, um und für die beiden Villen des Architekten Ludwig Mies van der Rohe zurück. Seit 70 Jahren wird ausschließlich zeitgenössische Kunst in Haus Lange gezeigt, ein Wohnhaus als Museum – seit 1981 zudem Haus Esters als Ausstellungsort. Anlässlich des Jubiläums widmen die Kunstmuseen Krefeld dieser spannenden Zeitspanne erstmals eine Retrospektive. Eröffnet wird die Ausstellung am kommenden Sonntag, 30. März, um 11.30 Uhr, sie endet am 21. September 2025.

Wesensmerkmal der Häuser

Die Krefelder Museen haben jungen Künstlern häufig als erste in Deutschland ein großes Forum geboten. Die Medien bezeichneten Ende der 1960er und Anfang der 1970er-Jahre die Häuser deswegen häufig als „Avantgarde-Museen“. „Das Erbe der Ortsspezifik ist ein Wesensmerkmal der Häuser“, betont Kurator Dr. Sylvia Martin, stellvertretende Museumsleiterin. Die über sieben Jahrzehnte lange Entwicklung und die Reaktionen von Künstlern und Künstlerinnen auf diese außergewöhnlichen Räume werde jetzt erstmals zusammengefasst. Gerade der Aspekt des Wohnhauses als Lebensraum spiegele sich bei vielen Künstlern und Künstlerinnen wider. Sie verweben die Punkte Architektur, Wohnhaus und Museumsbau mit ihrem eigenen Werk, teils schufen sie nur für diesen Ort neue Arbeiten. „Es ist eine enorm spannende Geschichte, die wir hier haben“, so die Kuratorin.

Und diese Geschichte der Ortsspezifik beginnt, als der junge französische Künstler Yves Klein 1961 seine erste und einzige Museumsausstellung zu Lebzeiten selbst konzipiert. Der bis heute erhaltene Raum der Leere (Le Vide) in Haus Lange bezeugt diesen Beginn zu einer Zeit, als es für ein Museum noch ausgesprochen ungewöhnlich war, dass Künstler vor Ort und mit dem Ort arbeiten. Die Yves-Klein-Ausstellung wurde national und international gefeiert. Krefelder Zeitungen hingegen wetterten gegen den Museumsdirektor Dr. Paul Wember und die Ausstellung, sie sei ein Skandal. Wember hätte deswegen fast seinen Posten verloren und die Geschichte der Ortsspezifik hätte gar ihren Anfang genommen. Es kam ja anders.

Erbe der Ortsspezifik mit über 70 Projekten

Die Ausstellung „Teilweise möbliert, exzellente Aussicht. Ortsspezifische Kunst für Haus Lange Haus Esters“ stellt anhand von Gemälden, Skulpturen, Installationen, Filmen, Grafiken und zahlreichen Dokumenten dieses reiche und bis heute lebendige Erbe der Ortsspezifik mit über 70 Projekten vor. „Viele Arbeiten wurden von den Künstlern geschenkt oder erworben“, erinnert Museumsleiterin Katia Baudin. Die Ausstellung bringt Werke aus der Sammlung so wieder in den architektonischen Kontext zurück. Zahlreiche, selten oder noch nie gezeigte Dokumente wie Filme, Fotos, Entwürfe, Plakate, Tonmitschnitte und Bücher ergänzen die Inszenierung und machen das Erbe der Ortsspezifik in den
Häusern Lange und Esters sichtbar.

Triptychon von Karin Kneffel

Eines der markantesten Werke ist dabei sicherlich ein dreiteiliges Gemälde (2009) von Karin Kneffel. Für ihre Ausstellung „Haus am Stadtrand“ in Haus Esters (2009) schafft die Malerin einen umfassenden Bildzyklus. Ausgangspunkt dafür war die Auseinandersetzung mit den Häusern und der Wohnsituation der Familien Lange und Esters um 1930. In ihren Bildern gibt Kneffel durch verschiedene Fensteransichten Ein- und Ausblicke in die Wohnräume und Gärten. Das Triptychon gewährt Einsicht in das Zimmer der Dame in Haus Lange, mitsamt Mobiliar und einem Teil der Kunstsammlung Hermann Langes. In der Wandvitrine ist ein Bronzeguss des Foxterriers von Renee Sintenis zu erkennen. An seiner originalen Stelle im gegenüberliegenden Raum, lässt sich ein weiterer Abguss der Tierplastik aus der Museumssammlung wiederfinden.

Zur Ausstellung entsteht eine Publikation, in der die Geschichte der Ortsspezifik in den Häusern Lange und Esters anhand zahlreicher Dokumente nachgezeichnet und erstmals erforscht wird. Das Nachschlagewerk wird am 4. Mai vorgestellt. Die Ausstellung in Haus Lange ist Teil des „HLHE Dialog: Der besondere Ort“, zusammen mit einer Ausstellung des Künstlers Gregor Schneider, die er für Haus Esters als neues, ortsspezifisches Projekt entwickelt hat und ab dem 4. Mai zu sehen sein wird. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren haben kostenfreien Eintritt in alle Krefelder Museen.

xity.de