Düsseldorf – Dieses Werk löste europaweit bei den Zeitgenossinnen und Zeitgenossen ein wahres „Fieber“ aus: Goethes „Leiden des jungen Werthers“. Junge Leser kleideten sich wie der Protagonist, trugen blaue Fräcke, gelbe Westen und offene Hemden, und eiferten der Lebensweise des Werthers nach. Das Werk erlangte eine ikonische Bedeutung in der Literatur- und Kulturgeschichte. Anlässlich des 250. Jahrestages des Erscheinens des Werkes widmet sich das Goethe-Museum Düsseldorf nun in einer eigenen Sonderausstellung diesem „Werther-Fieber“. Unter dem Titel „Werther: Ein europäisches Ereignis“ wird die Schau am Freitag, 18. Oktober 2024, um 18 Uhr im Schloss Jägerhof, Jacobistraße 2, eröffnet und ist bis zum 31. Dezember zu sehen.
Schon bevor man das Goethe-Museum betritt trifft man auf das bedeutsame Werk des deutschen Dichters: Das XXL-Werther-Buch vor dem Goethe-Museum, eine Nachbildung der Erstausgabe, erinnert seit 2016 an Goethes 1774 erschienenen Erstlingsroman. Wenige Monate vor dem Erscheinungstermin führte Goethes Rheinreise den jungen Schriftsteller zum ersten Mal in die aufstrebende Kunstmetropole Düsseldorf, wo er, in unmittelbarer Nähe zum Schloss Jägerhof, bei der befreundeten Familie Jacobi wohnte.
Nun wird auch im Museum mit einer eigenen Sonderausstellung der Fokus auf dieses große Werk Goethes gelegt. Die Schau besteht aus 74 Objekten, darunter auch die Erstausgaben des Romans sowie zahlreiche europäische Übersetzungen und Nachbildungen. In sechs Vitrinen werden graphische Illustrationen, Handschriften und Bücher aus der Spezialsammlung des Goethe-Museums gezeigt. Dabei umfasst die Ausstellung die Themen „Werther“, „Lotte und Albert“, „Übersetzungen“, „Intertextualität“, „Brief- und Lesekultur“ und „Wertheriaden“. Die Dreiecksbeziehung zwischen Werther, Lotte und Albert bildet den Kern der Romanhandlung, die Ausstellung erläutert die historischen Hintergründe: Goethes Aufenthalt in Wetzlar sowie die Bekanntschaft mit Charlotte Buff und Johann Christian Kestner. Besonders aufschlussreich ist zudem der Einblick in die Brief- und Lesekultur des 18. Jahrhunderts: Wie und von wem wurde der „Werther“ gelesen und in welcher Weise haben Goethes Zeitgenossen über ihre Leseerfahrungen berichtet? Im 18. Jahrhundert begann sich der Begriff „Europa“ als identitätsstiftendes Konzept zu etablieren. „Werther“ wurde ebendann zu einem Symbol für den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft.
Blickfang der Ausstellung sind vergrößerte Idealporträts der Romanfiguren Werther und Lotte, nach dem Illustrator Daniel Nikolaus Chodowiecki, die über einem Sofa in „Werther-Blau“ hängen. Das Arrangement entspricht der Liebesszene der Figuren nach der gemeinsamen Lektüre des „Ossian“. In der Ossian-Szene zitiert und reflektiert Werther über die Gedichte des schottischen Dichters James Macpherson (1736-1796), der unter dem Pseudonym des altgälischen Barden Ossian antike, heroische Gedichte verfasste. Werther und Lotte werden von der melancholischen Stimmung der Ossian-Dichtung tief ergriffen sowie zuvor bereits weite Teile Europas. In Goethes Roman verdeutlicht die Szene Werthers tragischen Konflikt zwischen Ideal und Realität.
Geplant und kuratiert wurde die Sonderausstellung von Regina Müller, die seit Anfang des Jahres Wissenschaftliche Volontärin im Goethe-Museum und Studentin an der Heinrich-Heine-Universität im Masterstudiengang Germanistik ist. Sie bietet zudem am 22. Oktober und am 27. November jeweils um 15 Uhr Führungen durch die Schau an. Für Kinder gibt es auf der Website des Goethe-Museums im digitalen Werkraum Werther und Lotte als Anziehpuppen zum Herunterladen und Ausschneiden (www.goethe-museum.de/de). Diese werden zudem für die Dauer der Ausstellung auch an der Museumskasse kostenlos ausliegen.
Anton Kippenberg (1874-1950), dessen umfangreiche Goethe-Sammlung im Museum unterhalten und entwickelt wird, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ auch im 20. Jahrhundert als literarisches Meisterwerk anerkannt und verbreitet wurde. Seine Arbeit als Verleger und Sammler hat den „Werther“ in der modernen Buchkultur verankert und ihn neuen Generationen von Lesern in hochwertigen Ausgaben zugänglich gemacht.