Krefeld – „Das Reich der Schmetterlinge gleicht einem Chrysanthemen-Haus, in dem jede Möglichkeit der schönen Farbenstellung entwickelt ist“, schwärmte Karl Ernst Osthaus (1874-1921). Heute ist er weltweit als Kunstsammler und Mäzen bekannt. Doch zur Jahrhundertwende konzentrierte sich Osthaus‘ Sammelleidenschaft noch auf die Naturwissenschaften. Er bereiste 1898 nordafrikanische Länder. Dort sammelte er Insekten, Amphibien und Fossilien. Seine Schmetterlingskollektion wurde 1902 als Teil der „Farbenschau“ im Kaiser-Wilhelm-Museum im niederrheinischen Krefeld gezeigt. In dieser Zeit wandelte sich sein Interesse maßgeblich. Der Hagener begann Kunst zu sammeln, moderne Kunst. Als Osthaus Anfang des 20. Jahrhunderts sein Folkwang-Museum in Hagen gründete, bestand eine enge Verbindung zum Krefelder Museum. Sein Geburtstag jährt sich nun am Montag, 15. April, zum 150. Mal. Die Kunstmuseen Krefeld widmen ihm zurzeit die Ausstellung „Die große Verführung. Karl Ernst Osthaus und die Anfänge der Konsumkultur“.
Osthaus und das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld
Karl Ernst Osthaus kam am 15. April 1874 in der südwestfälischen Industriestadt Hagen zur Welt. Er wuchs in einer wohlhabenden, großbürgerlichen Familie auf. Sein Vater verdiente sein Geld als Bankier, seine Mutter entstammte einer Industriellenfamilie. Ende des 19. Jahrhunderts starben Osthaus‘ Großeltern, und er erbte drei Millionen Mark. Dieses Vermögen ermöglichte dem jungen Mann, ein Leben nach seinen Wünschen und Ideen zu führen. Eine kaufmännische Lehre brach er ab. Osthaus studierte stattdessen Literatur, Ästhetik und Philosophie an verschiedenen Universitäten, unter anderem in Berlin, Straßburg und Bonn. Die Hinwendung zu Kunst, Design und Architektur beeinflusste vor allem der Kontakt zu Henry van de Velde (1863-1957). Den belgischen Architekten und Designer sollte eine lebenslange Freundschaft mit Osthaus verbinden. Van de Velde stellte auch den Kontakt nach Krefeld her, zu Friedrich Deneken, der damals das Kaiser-Wilhelm-Museum leitete. Deneken kam vom Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe und hatte dort das moderne Kunstgewerbe kennengelernt. In Krefeld baute er ab 1897 für das neu gebaute Museum seine auf die Moderne ausgerichtete Sammlung auf – stets mit einem Blick auf die Verbindung der hiesigen Textilunternehmen mit der Kunstgewerbebewegung, unter anderem mit Peter Behrens und Henry van de Velde. Letzterer kam 1900 nach Krefeld, wo er seinen ersten Vortrag in Deutschland hielt.
Das Folkwang-Museum in Hagen
Das Museum Folkwang in Hagen verkörperte einen Ort der Moderne. Als erste öffentliche Sammlung zeigte man Werke von Paul Cézanne, Paul Gauguin, Henri Matisse und Vincent van Gogh. Osthaus pflegte den persönlichen Kontakt zu zahlreichen Künstlern, unter anderem zu den Mitgliedern der Gruppe „Die Brücke“ sowie zu vielen anderen Akteuren des damaligen Kunstbetriebes. Henry van de Velde und Friedrich Deneken begleiteten und berieten Osthaus in seinen Anfangsjahren als Museumsgründer. „Als das Museum am 19. Juli 1902 eröffnet wurde, umschloss es drei selbständige Abteilungen: eine Galerie von Werken moderner Kunst, eine Sammlung von historischem Kunstgewerbe und die naturwissenschaftlichen Objekte, für die es gebaut war“, berichtete Osthaus. Zu den Eröffnungsrednern zählten van de Velde und Deneken. Von Beginn an gehörten Werke von Renoir, Signac und van Gogh zur Hagener Sammlung.
In eine vergleichbare Richtung kaufte auch Deneken für das Krefelder Museum ein. Beide Männer lieferten sich geradezu eine sportliche Auseinandersetzung um die neuesten Errungenschaften der Moderne. Deneken und Osthaus tauschten sich aber auch aus. Für die Ausstellung „Der Französische Impressionismus“ 1904 in Krefeld erhielt das Haus ein Gemälde von Theo van Rysselberghe aus Hagen. Der französische Kunsthändler und Galerist Ambroise Vollard schickte aus Paris drei Werke Paul Gauguins und eine Landschaft van Goghs nach Hagen, die aber zunächst im Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museum gezeigt wurden.
Osthaus verfolgte eine ästhetische Neugestaltung des Alltags sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich. Die breite Masse sollte ein Gefühl für den guten Geschmack kennenlernen. Aus diesem Impuls ging 1909 das „Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe“ hervor – ein Wandermuseum, das dort zeitweise eingerichtet wurde, wo die Menschen häufig vorbeikamen wie in den Rathäusern. Der Bestand umfasst rund 4.000 Werke, bestehend aus Reklametafeln, Plakaten, Keramik, Stoffmuster sowie Architekturfotografien und vielem mehr. Das mobile Museum bildete so eine der ersten zeitgenössisch ausgerichteten Designsammlungen.
Auflösung und Verkauf der Museen
Osthaus starb am 25. März 1921 in Meran an den Folgen einer Lungeninfektion, die er sich im Ersten Weltkrieg zugezogen hatte. Landesweit wurde über seine Arbeit berichtet, und fast zeitgleich kam die Frage auf, was mit den Museen und Sammlungen passiert. Die Familie konnte sich den weiteren Betrieb finanziell nicht mehr leisten, und auch die Stadt Hagen sah sich dazu nicht in der Lage. Also blieb nur noch der Verkauf. „Das gesamte Hagener Folkwang Museum war der Stadt Krefeld angeboten worden. Das Angebot der modernen Osthaus-Sammlung wurde aber von Deneken innerlich überzeugt abgelehnt“, berichtet Paul Wember, nach dem Zweiten Weltkrieg der langjährige Leiter des Kaiser-Wilhelm-Museums. Die „Trauben“ der Gemälde und Skulpturen hätten ohnehin für die Krefelder Verhältnisse zu hoch gehangen und wurden vom Essener Museumsverein übernommen, so Wember. Dort hatte sich ein großer Kreis aus Stiftern und der Stadt für den Ankauf gebildet, der letztlich 1922 eine Kaufsumme rund 15 Millionen Mark finanzierte.
Das Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe hingegen gelangte 1923 in die Sammlung des Kaiser-Wilhelm-Museums. „Das moderne Kunstgewerbe mit wichtigen Arbeiten von Peter Behrens und Henri van de Velde war für Krefeld eine wichtige Bereicherung bis heute“, so Wember. Der hiesige Museumsverein erwarb den Bestand „zu unerhört günstigen Bedingungen“. Dieser Ankauf ist nun 100 Jahre her. Zuletzt wurden vor rund 30 Jahren Exponate dieser Sammlung im Kaiser-Wilhelm-Museum gezeigt. Nun ist eine Auswahl auf der gesamten zweiten Etage des Hauses am Joseph-Beuys-Platz noch bis zum 28. April zu sehen.