Ausstellung im Kreishaus Neuss

Der Rhein-Kreis Neuss zeigt bis zum 23. Mai in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) die Ausstellung „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“.

Neuss – Landrat Hans-Jürgen Petrauschke hat sie jetzt zusammen mit dem DGB-Kreisvorsitzenden Udo Fischer und Sigrid Wolf, Regionsvorsitzende des DGB Düsseldorf-Bergisch Land, im Lichthof des Kreishauses an der Oberstraße 91 in Neuss eröffnet. Zusammengestellt wurde die Wanderausstellung vom DGB mit den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes. Auf sieben Roll-ups wird Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst thematisiert und sichtbar gemacht.

Landrat Hans-Jürgen Petrauschke weist auf die Bedeutung der Ausstellung hin. „Ein respektvoller Umgang ist die Grundlage unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Leider ist dies im Alltag nicht immer der Fall. Die Ausstellung sendet eine klare Botschaft und macht deutlich, dass Anfeindungen und Gewalt im zwischenmenschlichen Umgang nichts zu suchen haben und in unserer Mitte keinen Platz haben dürfen“, betont er. „Der Rhein-Kreis Neuss organisiert die Daseinsvorsorge für die Menschen. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind für uns alle im Einsatz und geben ihr Bestes. Sie haben einen respektvollen Umgang verdient. Der Rhein-Kreis unterstützt die Initiative des DGB, weil wir uns vor unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stellen und sie schützen wollen.“

Sigrid Wolf erklärt für den DGB: „Nicht überall wird unsere Gesellschaft sicherer und weniger gewalttätig. Eine Fahrkartenkontrolle, ein Termin im Amt oder eine Elternsprechstunde – immer häufiger werden diejenigen zum Ziel von Beleidigungen, Drohungen und tätlichen Angriffen, deren Arbeit uns allen zugutekommt. Diese bereits ernste Lage hat sich während der Corona-Pandemie für viele Beschäftigte weiter zugespitzt. Die erste Aufgabe muss daher sein, einen blinden Fleck zu beseitigen. Nur selten schafft es die Gewalt gegen Beschäftigte in die deutschen Schlagzeilen: So etwa 2012, als hier in Neuss eine Jobcenter-Mitarbeiterin von einem Klienten ermordet wurde.“ Abseits solcher besonders tragischer Fälle erhalten die alltäglichen Angriffe im öffentlichen Raum laut Wolf längst nicht die nötige Aufmerksamkeit. „Doch Gewalt gegen Beschäftigte im Dienst der Gesellschaft ist ein Massenphänomen. Das bezeugen 67 Prozent der befragten Beschäftigten, die angeben, erst kürzlich Opfer eines Angriffes geworden zu sein“, so Wolf weiter.

Die Wanderausstellung zeigt auf, dass der Ton im Alltag rauer geworden ist und welche Folgen dies hat. Die Roll-ups spiegeln eine zunehmende alltägliche Respektlosigkeit, Verrohung und Brutalität wider. Die abgebildeten Vertreter aus klassischen Dienstleistungs- und Ordnungsbereichen wie dem ÖPNV, der Müllentsorgung, der Polizei und Feuerwehr mit den Rettungsdiensten, den Ordnungsämtern sowie den Krankenhäusern stehen stellvertretend für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Ihre Aussagen machen deutlich, welchen Situationen die Belegschaft in ihrem Arbeitsalltag begegnet und wie stark dies den Betroffenen zusetzt.

Bei einer überregionalen DGB-Befragung gaben zwei Drittel der befragten Beschäftigten im öffentlichen und privatisierten Sektor an, dass sie in den vergangenen zwei Jahren Gewalt bei der Arbeit erfahren haben. Dabei beginnt Gewalt nicht erst dort, wo Fäuste fliegen und Messer gezückt werden. Viele Beschäftigte berichten im Zuge der Befragung von Beleidigungen, Bedrohungen oder sexualisierter Gewalt. Angespuckt, bedroht oder geschlagen zu werden, gehört demnach ebenso zu den Erfahrungen der Beschäftigten wie mit einer Waffe angegriffen zu werden. Doch nicht alle Fälle werden gemeldet.

„Die Folgen sind schwerwiegend: 29,4 Prozent der Betroffenen wurden nach einem Angriff krankgeschrieben, mehr als jeder Zehnte berichtet von anhaltenden psychischen Problemen und nicht wenige Beschäftigte sind nach einer Gewalterfahrung nicht mehr arbeitsfähig,“ stellt DGB-Kreisvorsitzender Udo Fischer fest. Neben dem individuellen Leid kosten diese Folgen Steuerzahlerinnen und -zahler viel Geld und dünnen den bereits unterbesetzten öffentlichen Dienst weiter aus. „So betrug die Dauer der Krankschreibungen infolge von Gewalt bei 38 Prozent der Betroffenen im öffentlichen Dienst 8 bis 30 Tage pro Jahr. Bei 35 Prozent waren es sogar mehr als 30 Tage. Gleiches gilt für den privatisierten Sektor: Die Deutsche Bahn registrierte 2019 27.816 Ausfalltage aufgrund von Körperverletzungen – ein Anstieg um 49 Prozent“, erläutert der Gewerkschafter.

Bei der Ausstellungseröffnung gaben Beschäftigte auch Einblicke in ihren Alltag. René Donner, der bei der Sparkasse Neuss beschäftigt ist, berichtete als Mitglied des ver.di-Landesfachgruppenvorstandes „Sparkassen NRW“ und als stellvertretendes Mitglied des Bundesfachgruppenvorstandes über Banküberfälle und Beleidigungen gegenüber seinen Kolleginnen und Kollegen am Schalter. Zudem richtete Kristin Hildebrandt, Polizistin und stellvertretende Vorsitzende der Kreisgruppe Neuss der Gewerkschaft der Polizei, den Fokus auf Anfeindungen und Gewalt gegen Beschäftigte der Polizei.

Im Rhein-Kreis Neuss sind im vergangenen Jahr insgesamt 197 Fälle von Widerstand gegen oder tätliche Angriffe auf Polizeivollzugsbeamte registriert worden. Das ist zwar ein Rückgang gegenüber den Vorjahren. 2021 waren es 226 Fälle, 2020 insgesamt 274. Dennoch zeigen die Zahlen, dass Anfeindungen für Polizeibeamte oft zum Alltag gehören, nicht selten werden sie auch tätlich angegriffen.  „Jede Attacke auf einen Polizisten ist ein Schlag in das Gesicht all jener, die unseren Rechtsstaat tagtäglich verteidigen. Zugleich ist es ein Angriff auf unsere Gesellschaft und unsere Werte. Das darf nicht sein“, betont der Landrat.

Auch Feuerwehr und Rettungskräfte haben mit Anfeindungen und Übergriffen zu kämpfen. „Das ist völlig inakzeptabel. Feuerwehr und Rettungskräfte setzen – genau wie auch Polizisten – ihre eigene Gesundheit und mitunter gar das eigene Leben aufs Spiel, um andere zu retten“, stellt der Landrat klar. In diesem Jahr sind bislang fünf Fälle von Gewalt gegen Einsatzkräfte im Rettungsdienst (2022: sieben Fälle) und drei Fälle im Bereich der Feuerwehr (2022: drei Fälle) im Rhein-Kreis Neuss dokumentiert. Dazu zählen Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen ebenso wie tätliche Angriffe.

In der Kreisverwaltung lässt sich ebenfalls beobachten, dass der Ton gegenüber den Beschäftigten oft rauer geworden ist – vor allem in Bereichen mit viel Kundenverkehr. Übergriffe gibt es zum Glück nur sehr selten und in Einzelfällen. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können hier auf unsere volle Rückendeckung zählen“, betont Petrauschke. „Es ist nicht hinnehmbar, wenn Grenzen überschritten und die Regeln des guten Miteinanders verletzt werden.“ Deshalb hat der Rhein-Kreis Neuss unter anderem die Kampagne „Gemeinsam mit Respekt“ durchgeführt und unterstützt weitere entsprechende Aktionen. Hierzu gehört auch die aktuelle Ausstellung „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“ im Lichthof des Kreishauses in Neuss.

Wie schlimm es enden kann, wenn Gewalt in den Alltag dringt, ist vielen im Rhein-Kreis Neuss noch in trauriger Erinnerung. 2012 hatte ein Mann eine Mitarbeiterin des Jobcenters in Neuss in ihrem Büro mit einem Messer attackiert. Die Frau starb an den Verletzungen der brutalen Attacke.

„Gewalt ist für die, auf die sich unsere Gesellschaft tagtäglich stützt, Alltag geworden. Gewalt gegen Beschäftigte im Öffentlichen Dienst hört nicht von selbst auf. Wir müssen sie beenden“, fordert Sigrid Wolf abschließend.

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