Neuss – Ob Spider-Man, Ant-Man, Killer Moth, Black Widow oder Queen Bee – eine Vielzahl von Superhelden, Bösewichten und Nebenfiguren im Comic-Kosmos ist von Insekten und Spinnentie¬ren inspiriert. Namen und Aussehen der Comic-Figuren verweisen dabei ebenso auf deren fliegende, stechende und krabbelnde »Paten« wie auf deren Superkräfte. So kann Spider-Man etwa Spinnennetze aus seinen Handgelenken schießen, an Wänden hochkrabbeln und besitzt übermenschliche Sinne. Die freundliche Spinne von nebenan erscheint erstmals 1962 im Heft »Amazing Fantasy No. 15«. Mit Spider-Man betritt ein neuer Superheldentypus das Marvel-Universum und die Bühne der Comic-Welt: Ein Teenager, noch dazu ein Außenseiter, dessen Alter Ego ausgerechnet eine Spinne ist!
Doch scheint das Insekt als Metapher für das Unliebsame, Marginalisierte und Andersartige eine zentrale Rolle im Comic zu spielen. Tatsächlich empfinden die meisten Menschen Insekten im All¬tag eher als lästige Unruhestifter oder Schädlinge. Gleichzeitig werden sie für tatsächliche Super¬kräfte und ihre Bedeutung für das Ökosystem geschätzt und bewundert. Eine Ameise kann bei¬spielsweise das Hundertfache ihres eigenen Gewichtes tragen. Und die zugleich leichten und ungemein stabilen seidenen Fäden der Spinne sind für Textilhersteller, Autobauer, Luft- und Raumfahrtingenieure sowie Mediziner gleichermaßen interessant: 2017 stellten Forscher der Universität Bayreuth erfolgreich künstliches Herzgewebe aus Spinnenseide her. Es verwundert also nicht, dass Insekten und Spinnentiere in der Kunst- und Kulturgeschichte des Menschen und somit auch im Comic eine bedeutende Rolle spielen.
So summt, surrt und schwirrt es nur so im Comic-Universum, und zwar seit Beginn: Bereits ein Jahr nachdem Supermans sensationeller Erfolg das »Golden Age« des Superheldencomics ein-läutete, betritt 1939 neben Batman auch der vom Skarabäus-Käfer inspirierte Blue Beetle das Comic-Parkett. 1941 folgt mit Wonder Woman übrigens die erste Superheldin. Firefly, Queen Bee oder Praying Mantis Man heißen nur einige der Bösewichte, gegen die sich die Superheld*innen der ersten Stunde behaupten müssen. Doch nicht immer sind Insekten eine Gefahrenquelle. So kommen in Heft Nr. 296 der Serie »Action Comics« etwa Riesenameisen, die durch einen Atom¬krieg auf einem anderen Planeten mutiert sind, mit einer Warnung auf die Erde. Um mit ihnen kommunizieren zu können, verpasst Superman sich selbst mittels Strahlung von rotem Kryptonit einen Ameisenkopf …
Im Laufe des »Golden Age« etabliert sich das Comic als feste Größe in der US-amerikanischen Unterhaltungskultur. Die Popularität der oftmals auch propagandistisch genutzten Superhelden-comics nimmt jedoch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ab. Comics mit als moralisch frag-würdig geltenden Inhalten wie Horror, Gewalt, Sex und Verbrechen bringen das Medium zudem als jugendgefährdende Schundliteratur in Verruf: Verlage gehen bankrott, viele Comic-Serien werden eingestellt, ihre Protagonist:innen vergessen, so auch Blue Beetle.
Der Blaue Käfer wird jedoch wiederbelebt und zwar mehrfach, wobei sich neben der Ursprungs-geschichte auch das Aussehen der Figur und deren Superkräfte ändern. Metamorphosen dieser Art sind weder in der Insekten- noch in der Comic-Welt ungewöhnlich. Selbst Spider-Man schwingt sich in einer schier unerschöpflichen Fülle von Abwandlungen und Adaptionen durch das Comic-Multiversum. Dieses beschränkt sich schon lange nicht mehr auf das klassische Comic-Heft, sondern umfasst neben Fernsehserien, Romanen, Computerspielen, Sammelkarten, Spiel- und Sammlerfiguren seit den 2000er Jahren vor allem auch Kinofilme. So verdankt die Figur der Black Widow ihre Beliebtheit in erster Linie ihrer filmischen Darstellung durch Hollywood-Star Scarlett Johansson.
Längst sind Comics – die immer auch ein Spiegel ihrer Zeit sind – ein fester Bestandteil unserer Populärkultur geworden. Durch die Linse von Spider-Man, Ant-Man, Black Widow, Queen Bee, Killer Moth & Co. bietet die Ausstellung »Amazing Superbugs« Besucher*innen jeden Alters einen faszinierenden Einblick in die facettenreiche Insekten-Comic-Welt.
Präsentiert werden rund 120 Exponate, die überwiegend aus dem Besitz der Kölner Schmitz-Lippert-Stiftung stammen, darunter selten gezeigte amerikanische Comic-Hefte von Marvel und von DC aus den 1960er und 1970er Jahren, Actionfiguren, Statuen, Sammelkarten und Original-zeichnungen. Anhand ausgewählter Exponate bietet die Ausstellung zudem Einsichten in Vorläu-fer des (Insekten-) Comics aus dem 19. Jahrhundert sowie einen fokussierten Ausblick auf aktuelle Entwicklungen im Bereich von Graphic Novel und Science Comic.
Das Projekt ist in Kooperation mit dem Sonderforschungsbereich 1472 »Transformationen des Populären« der Universität Siegen entstanden und wird von einem attraktiven Rahmenprogramm begleitet, mit Superhelden-Familienführungen, Sammlergesprächen, Spider-Man Specials, einem Superbugs-Familientag (7. Juli 2024) und einer wissenschaftlichen Tagung.
Die Ausstellung eröffnet am 28. April, dem Geburtstag von Spider-Man-Schöpfer und Comiclegende Stan Lee (1922–2018) – zu seinen Ehren wird an diesem Tag alljährlich der National Superhero Day in den Vereinigten Staaten gefeiert.