Krefeld – Die Neonröhren springen hintereinander in ihren Reihen an und erhellen den Ausstellungssaal im Archäologischen Museum Krefeld. Es riecht nach frisch gestrichener Farbe. Den Ausstellungsraum teilen Stellwände. Sie sind noch blank. Auf dem Fußboden stehen einige flache, in Luftpolsterfolie eingepackte Kisten. Die Schritte von Dr. Hans-Peter Schletter und Eileen Wolff hallen durch den Raum. Der Stadtarchäologe und die Restauratorin befreien eine Kiste von der Folie und schauen sich das Exponat an. Alles in Ordnung. Darin befindet sich ein fast 2.000 Jahre altes Pferdeskelett. Es ist eines von rund 300 Pferdeskeletten, die im Zusammenhang mit der Bataverschlacht im Jahr 69 bei Gelduba (heute Krefeld-Gellep) bislang gefunden worden sind. Unweit des Rheins trafen damals zwischen 20.000 und 25.000 Soldaten aufeinander – ein erbarmungsloses Mann-gegen-Mann-Blutvergießen. Diese dramatische Schlacht wird nun erstmals ab 11. April Thema einer Ausstellung im Archäologischen Museum Krefeld. Zurzeit laufen die Vorbereitungen.
Der Stamm der Bataver
Der germanische Stamm der Bataver siedelte mit seinen 35.000 bis 45.000 Menschen zwischen Rhein und Maas. Sie betrachteten sich selbst als „societas“, als unabhängige Verbündete Roms, die Römer sie jedoch als Teil ihres Reiches. Trotz einiger Sonderrechte mussten die Bataver Soldaten stellen, von denen zahlreiche nach dem Ende der Dienstzeit auch das römische Bürgerrecht erhielten. Ein Teil von ihnen diente als Spezialeinheit im römischen Heer und war in allen Kampftechniken bestens ausgebildet. Ihr Aufstand begann in einer Zeit innerrömischer Konflikte nach dem Selbstmord von Kaiser Nero im Jahr 68: Die Bataver sollten nun nicht mehr freiwillig, sondern erzwungen Soldaten stellen. Dagegen erhoben sich die Bataver am Rhein. Ihnen schlossen sich etwa 5.500 schon im Dienst befindlichen Soldaten an, weil sie unehrenhaft von ihren Aufgaben nach dem Selbstmord des Kaisers entbunden waren. Bei der Bataverschlacht trafen also erprobte, römische Soldaten aufeinander. „Die Folge war keine Schlacht, sondern ein Schlachten“, schildert der römische Historiker Tacitus.
Ein Moment nach dem Kampf
Auf einer langen Seitenwand des Saals im Archäologischen Museum wurde bereits eine Szenerie nach dem Kampf mit Pferden und Menschen in schwarzer Farbe aufgemalt. „Wir können keine individuellen Schicksale erfassen, nur schattenhaft das Leid und den Schrecken“, erklärt Dr. Hans-Peter Schletter diese fiktionale Momentaufnahme. Der Lärm von klingenden Schwertern, das Wiehern der Pferde, die Schreie der Angreifer, die Schreie der sterbenden Soldaten sind in diesem Augenblick verhallt. In historischen Quellen werden Kämpfe zur Zeit der Römer zwar häufig beschrieben, doch wo diese tatsächlich stattgefunden haben, bleibt oft ein Rätsel. In Deutschland konnten nur ganz selten antike Schlachtfelder durch Archäologen nachgewiesen worden: am Harzhorn (Südniedersachsen im Landkreis Northeim), in Kalkriese (Landkreis Osnabrück) und in Krefeld. Hier gibt es zudem – und das ist eine absolute Ausnahme – eine passende historische Schriftquelle. Tacitus (58 bis 120) schildert sehr genau in seinen „Historien“ den Kampfverlauf. Als Elfjähriger wird er selbst kaum ein Augenzeuge gewesen sein. Ihm wurde jedoch wohl aus „erster Hand“ über das Ereignis berichtet. Denn seine Angaben decken sich mit den Ausgrabungen und Funden der vergangenen Jahrzehnte in Krefeld.
Großes Schlachtfeld in Krefeld
Dabei verteilen sich die Spuren der Schlacht in Krefeld auf ein recht großes Gebiet. Es entspricht in etwa der Fläche der römischen und auch fränkischen Gräberfelder rund um das Kastellareal. „Die Römer haben das Schlachtfeld hier selbst nicht so abgeräumt, wie es an anderen Orten durch Germanen auf der Suche nach Rohstoffen passiert ist“, erklärt Museumsleiter Dr. Boris Burandt. Weil das weitläufige Schlachtfeld nachfolgend von den Römern besiedelt oder als Gräberfeld genutzt wurde, entdeckten und entdecken die Archäologen überall Gräben, Waffenteile, Keramik und Pferdeskelette, die von jüngeren Schichten überlagert worden sind oder durch Vermischung von Erdschichten auch an ungewöhnlichen Orten, wie in Gräbern des dritten und vierten Jahrhunderts, wieder ans Tageslicht kamen. „Auf den ersten Blick sind solche Funde aus dem ersten Jahrhundert dort ein Rätsel. Wie kommen sie dorthin? Da wir aber um die Schlacht wissen, können wir sie letztlich entsprechend zuordnen“, so Schletter.
Multidimensionale Animation
Während der Ausstellungsraum noch weitestgehend leer ist, wird im Haus an vielen Stellen an der Präsentation gearbeitet. In der Restaurierungswerkstatt präparieren Mitarbeiterin Alexandra Frischen momentan den Griff eines Schildes und Restauratorin Eileen Wolff einen Schildbuckel. Vorsichtig und zum Teil unter dem Mikroskop entfernt Alexandra Frischen den Schmutz von dem Objekt. Nebenan bereitet Wolff die Befestigung des Schildbuckels auf einer Trägerstange vor, die später in einer Vitrine vor der Nachbildung eines Schildes aufgestellt wird. Eine Etage über ihnen sitzt Museumspädagoge Matthias Ackermann. Er gestaltet das Werbeplakat. Zudem kümmert er sich um das Begleitprogramm für Kinder und Jugendliche. Ein paar Spezialaufträge wurden auch extern vergeben: „Wir werden unter anderem ein neues, sehr detailgetreues Diorama einer Schlachtsituation in der Ausstellung zeigen“, sagt Schletter. In den folgenden Wochen werden so immer mehr Objekte aus den eigenen Magazinen, der Werkstatt, Leihgaben und bestellte Exponate im Ausstellungsraum ihren Platz finden. Auf dem Rundgang können die Besucher dann sogar in einer multidimensionalen Animation selbst mitten in die Bataverschlacht eintauchen.