Streit um die Klosterkirche in der Krefelder Innenstadt

Nahe der Kirche St. Dionysius in der Krefelder Innenstadt verläuft die Klosterstraße. Von einem Kloster fehlt jedoch jedwede Spur.

Krefeld – Nur noch der Straßenname erinnert daran, dass an der Stelle, wo jetzt das Standesamt steht, sich eine um 1430 erstmals urkundlich erwähnte Klosteranlage erstreckte. Eine archäologische Grabung hat es auf diesem Areal noch nicht gegeben. Ob Funde im Boden die Zeit überdauert haben, diese Frage ist offen. Die Existenz des Klosters lässt sich heute nur noch über rund 170 erhaltene Urkunden und Akten – längst nicht alle wurden bislang ausgewertet – nachvollziehen: Es war ein Tertiarinnen-Kloster, also eine Einrichtung, in der die Nonnen nach den Regeln des heiligen Franziskus lebten. Die Frauen waren Töchter angesehener Bauern- und Bürgerfamilien aus der Region. Im Mittelalter lag das Kloster direkt an der Stadtgrenze. Im Straßenpflaster sieht man heute den Verlauf der Stadtmauer und auch den ungefähren Standort der am 5. Oktober 1460 vom Kölner Weihbischof Heinrich geweihten Klosterkirche. Sie wurde nach dem Heiligen Johannes Baptist benannt. Das Kloster, beziehungsweise seine kleine Kirche, sollte über gut 200 Jahre für Streit in der Stadt sorgen.

Bau einer Klosterkirche

Obwohl Krefeld 1373 die Stadtrechte erhielt, blieb der Ort mit vielleicht 200 bis 300 Einwohnern überschaubar – alles Katholiken. Die Reformation begann erst im 16. Jahrhundert, die Mennoniten kamen im 17. Jahrhundert nach Krefeld. Die heutige protestantische Alte Kirche hieß im Mittelalter noch Dionysiuskirche. Und zwischen deren Pastor Hermann Duem (Amtszeit 1451 bis 1460) und dem Kloster entbrannte ein inner-katholischer Konflikt: In den Klostergebäuden existierte nur eine kleine Betkapelle. Zum Ende der 1440er-Jahre wurde mit dem Bau einer Klosterkirche begonnen. Das löste bei Deum überhaupt keine Begeisterung aus – im Gegenteil. Er empfand den Bau einer Klosterkirche wohl als räumliche und vor allem finanzielle Konkurrenz. Denn das Kloster erhielt immer wieder reiche Schenkungen: So überlässt Christine Schroders von Werenbroick, eine Nonne im Kloster Gnadental bei Neuss, im August 1442 dem Krefelder Kloster Land in Fischeln. Im Juni 1451 treten zehn weitere Frauen in das Kloster ein, legen ihr Gelübde ab und überschreiben alle ihre Güter dem Kloster. Nesa Plonis, Bürgerin in Krefeld, vermacht im März 1462 dem Kloster 11,5 Morgen Land (pro Morgen Land schwanken die historischen Angaben von durchschnittlich 2.000 bis 5.000 Quadratmeter). Aus solchen Schenkungen sollte auch der Bau der Kapelle finanziert werden. Deums ablehnende Haltung mag darin begründet sein, dass solche Summen seiner Kirche beispielsweise für Reparaturen entgingen. Ein Indiz könnte der Kirchenturm-Neubau von 1472 sein. Gut möglich, dass der Vorgänger-Turm um 1450 bereits Schäden aufwies und Deum sich um die anstehende Finanzierung sorgte.

Der Bau beziehungsweise die Einweihung der Klosterkirche sollten also vermieden werden, und ohne Deums Zustimmung ging es eben nicht. Den selbstbewussten Pastor beeindruckte es auch außerordentlich wenig, dass das Kloster eine Genehmigung zur Einweihung seiner Kapelle vom Kölner Erzbischof Dietrich II. von Moers persönlich vorweisen konnte. Noch weniger Wert maß er wohl den Einverständniserklärungen vom mächtigen Kloster Meer (heute Meerbusch) zu. Um den Streit zu schlichten, schickte der päpstliche Kardinallegat Nikolaus von Cues im Jahr 1451 den Dechanten der St. Andreaskirche zu Köln, Tilman von Linz, nach Krefeld. Doch der erfahrene Kirchendiplomat, der im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation erfolgreich Konflikte auf höchster Ebene schlichtete, scheiterte mit seinen Bemühungen in der Causa Krefeld. Auch die Verleihung mehrerer Privilegien und eines Ablasses durch Nikolaus von Cues im März 1452 für die Besucher der Kapelle durch denselben 1452 fruchteten nicht. Es bedurfte einer ausdrücklichen Bitte des Grafen Vincent von Moers und seiner Gattin Anna von Bayern an Deum, der 1460 die Einweihung der Klosterkirche doch gestattete. Duems späte Einsicht sollte für die Krefelder Katholiken von entscheidender Bedeutung sein.

Neues Zentrum der Katholiken

Mit der Reformation in Krefeld änderte sich das Verhältnis zwischen den Protestanten und den Katholiken, deren Religionsausübung immer mehr eingeschränkt wurde. Die alte Dionysiuskirche ging endgültig 1607 in den Besitz der Protestanten über. Die eigentlich nur für die Nonnen gedachte Klosterkirche entwickelte sich mehr und mehr zum Zentrum der Katholiken. Die strenggläubigen Protestanten beobachteten mit Argwohn, dass die Kirchentüren für jedermann offenstanden – vor allem während der Messen. Sie befürchteten die Etablierung einer neuen Pfarrkirche. Für die katholischen Stadtbewohner wurde die Kapelle bald zu eng; an Ostern 1625 wollten über 320 Menschen dort die Kommunion empfangen. Das Politikum eskalierte letztlich in den unterschiedlichen Auffassungen der Katholiken, bei den Messen in der Klosterkirche handele es sich um öffentliche Gottesdienste (mit geöffneten Türen), und der Sicht der protestantischen Regierung in Moers, im Kloster seien nur „private Andachten” der Nonnen erlaubt.

Auch die Aufnahme neuer Glaubensschwestern in das Kloster wurde während des 17. Jahrhunderts durch die Protestanten beanstandet: Die Einkleidung der Novizinnen lockte bei geöffneten Türen zahlreiche Menschen an, die vor dem Kirchenprotal niederknieten. Zudem spielte bei einer solchen Einkleidung mal ein Musikant noch auf. Dieses „abgöttische Unwesen” und diese „Üppigkeit” mochten die asketischen Protestanten nicht sehen. Gleiches galt für Pilger auf dem Weg nach Kevelaer, die singend und mit wehenden Fahnen durch Krefeld zogen und an der Klosterkirche eine Rast einlegten. Angesichts einer solchen katholischen Provokation kam es vereinzelt auch zu Handgreiflichkeiten.

Der Konflikt zwischen den Protestanten und Katholiken löste sich über die kommenden Jahrzehnte nur langsam auf. Die katholischen Bürger bekamen im Laufe der Jahre alte Rechte wie die Taufe und Eheschließung durch eigene Geistliche wieder zurück. Solche Rechte und auch die damit verbundenen Gebühreneinnahmen lagen seit der Reformation bei den protestantischen Pfarrern. Ein merklicher Wendepunkt bildete im November 1752 der Baubeginn der neuen Dionysiuskirche an der Rheinstraße. Am Heiligabend 1754 fand dort die erste Messe statt, am 26. Dezember die erste Taufe und im folgenden Januar die erste Hochzeit. Die Kirche war noch längst nicht fertig, so waren die Fenster noch nicht eingebaut, sondern mit Stroh verdeckt. Als die Kirchengemeinde zu dieser Zeit endlich aus der Klosterkirche auszog, nach 148 Jahren, gab es erneuten Streit, weil dem Kloster ein Altarbild, ein Taufstein und eine Statute des Heiligen Dionysius für die neue Kirche entwendet wurde. Die Moerser Regierung entschied, dass diese Dinge der Gemeinde gehörten.

Abbruch in der Franzosenzeit

Das Kloster und die kleine Kirche wurden während der französischen Besatzungszeit säkularisiert und 1810 fast komplett abgebrochen. Auf Fotoaufnahmen vor dem Zweiten Weltkrieg ist am Dionysiusplatz eine Klosterkapelle zu sehen. Dabei handelt es sich jedoch um die Niederlassung der Armen Schwestern vom Heiligen Franziskus. Das Kloster zu den Heiligen Engeln wurde 1855 eingerichtet. Neben einem Altenheim widmeten sich die Schwestern der Armen- und Krankenpflege. Die Gebäude wurden 1976 für den Bau des Einkaufszentrums abgerissen. Dabei soll auch der Rest des Tertiarinnen-Klosters zerstört worden sein.

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