Nach dem bislang größten Schlag gegen den internationalen Kokainhandel in einem deutschen Ermittlungsverfahren haben die Sicherheitsbehörden am Montag nähere Angaben zu den Dimensionen und Hintergründen des Falls gemacht. Bei der bereits im vergangenen Jahr abgefangenen Drogenmenge habe es sich um 35,5 Tonnen im Straßenverkaufswert von etwa 2,6 Milliarden Euro gehandelt, teilten Vertreter von Staatsanwaltschaft, Polizei und Zoll in Düsseldorf mit.
Rund 24,5 Tonnen Kokain wurden den Angaben zufolge in Seefrachtcontainern im Hamburger Hafen beschlagnahmt, weitere rund elf Tonnen in Guayaquil in Ecuador sowie im Hafen im niederländischen Rotterdam. Ausgelöst wurden die Ermittlungen demnach durch Hinweise von kolumbianischen Behörden. Fahnder des Zolls und des Landeskriminalamts in Baden-Württemberg identifizierten anschließend insgesamt neun Frachtcontainer und ließen diese abfangen.
Durch parallele Ermittlungen wurden acht Tatverdächtige im Alter zwischen 30 und 54 Jahren in Deutschland ausfindig gemacht, sieben wurden Ende Mai und Anfang Juni bei Razzien in sieben Bundesländern festgenommen und kamen in Untersuchungshaft. Sie sollen mit weiteren, noch unbekannten Mittätern eine Vielzahl von Scheinfirmen gegründet haben, um darüber Kokain aus Südamerika zu schmuggeln. Die Mittäter halten sich laut Behörden wohl in der Türkei auf.
Die Ermittlungen wurden vom Zollkriminalamt sowie dem Zollfahndungsamt in Stuttgart gemeinsam mit dem Landeskriminalamt in Baden-Württemberg und einer bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen angesiedelten Zentralstelle zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität geführt. Zu den Verdächtigen in dem Verfahren gehören nach Angaben der Ermittler unter anderem zwei Geschäftsleute aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen.
Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) sprach am Montag bei der Vorstellung der Ermittlungsergebnisse in Düsseldorf von einem „Coup“ der deutschen Sicherheitsbehörden. Die Beschlagnahme und Vernichtung einer derart großen Kokainmenge sei ein „präziser Kinnhaken, der den Drogenbossen wehtut“. Diese erwirtschafteten illegal riesige Gewinne und unterwanderten mit ihren Aktivitäten die legalen Wirtschaftskreisläufe.
Es handle sich um die bislang größte „Gesamtsicherstellungsmenge“ von Kokain in einem von deutschen Behörden geführten Ermittlungsverfahren, betonte der Leiter des Zollkriminalamts, Tino Ingelmann, in Düsseldorf. Auch deutsche Ermittler beschlagnahmten von Jahr zu Jahr größere Kokainmengen, was auf eine „anhaltende Kokainschwemme“ auf dem Schwarzmarkt hindeute. Insgesamt seien in Deutschland im vergangenen Jahr rund 43 Tonnen Kokain abgefangen worden.
Über ihren Schlag gegen das Schmugglernetzwerk hatten die Behörden bereits am Freitag berichtet, dabei aber zunächst nur wenige Details genannt. Für weitere Informationen wurde auf die Pressekonferenz am Montag verwiesen.
Drogenkartelle organisieren den Schmuggel von Kokain aus südamerikanischen Anbauländern wie Kolumbien und Peru inzwischen hauptsächlich in Containern über den normalen Seefrachtverkehr. Europäische Häfen wie Rotterdam in den Niederlanden, Antwerpen in Belgien sowie Hamburg gelten als Einfallstore. Erst im Februar gründeten mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, eine gemeinsame Allianz gegen den zunehmenden Kokainschmuggel über ihre Häfen.
Deutschland stehe „vor einer neuer Dimension der Zufuhr von Kokain“, sagte der Leiter des Zollfahndungsamts in Stuttgart, Ronald Lenz, am Montag. Im aktuellen Fall hätten die Hinweise aus Kolumbien zu einem Geschäftsmann aus Mannheim geführt, der einen verdächtigen Container habe importieren wollen. Davon ausgehend sei dann ein Netz von rund hundert Briefkastenfirmen entdeckt worden, über das der Versand weiterer Schmuggelcontainer organisiert wurde.
Neun dieser zur Tarnung unter anderem mit Obst beladenen Container wurden nach Angaben der Ermittler zwischen April und September jeweils mit großen Mengen Kokain abgefangen. Der größte Einzelfund war demnach eine Lieferung von zwölfeinhalb Tonnen im Hamburger Hafen. Dies war der zweitgrößte Einzelfund von Kokain in Deutschland bislang. Im Februar 2021 hatten Ermittler des Zolls im Hamburger Hafen sogar eine Einzellieferung von insgesamt 16 Tonnen beschlagnahmt.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) wertete den Schlag als Zeichen dafür, dass die Polizei in seinem Bundesland „auch auf der obersten Ebene des internationalen Rauschgifthandels“ erfolgreich gegen kriminelle Gruppierungen vorgehen könne. Den Tätern seien „empfindliche Verluste in Milliardenhöhe“ zugefügt worden, erklärte er in Stuttgart mit Blick auf die Ermittlungen. Ein entscheidender Faktor sei internationale Zusammenarbeit.
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