Jeder zehnte junge Mensch in Deutschland fühlt sich sehr einsam. In einer von der Bertelsmann-Stiftung am Montag veröffentlichten Umfrage lag der Anteil der stark einsamen jungen Menschen zwischen 16 und 30 Jahren bei elf Prozent. Werden noch diejenigen hinzugezählt, die sich moderat einsam fühlen, betrifft dies insgesamt 46 Prozent. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) forderte, das Thema „aus der Tabuzone“ herauszuholen.
Im Alter zwischen 19 und 22 Jahren sei die Einsamkeit am größten, ergab die Bertelsmann-Umfrage. Im Vergleich zu Vorgängerstudien im Pandemie-Jahr 2021 und im vergangenen Jahr fühlen sich aktuell demnach etwas weniger junge Menschen sozial und emotional einsam. Der Anteil der emotional Einsamen lag 2024 bei 60 Prozent, wobei bei 14 Prozent dieses Gefühl stark ausgeprägt war. Der Anteil der sozial Einsamen lag bei 39 Prozent, zehn Prozent litten stark darunter.
Das Thema Einsamkeit sei oft „schambehaftet“, sagte Paus im ARD-„Morgenmagazin“ anlässlich der Aktionswoche gegen Einsamkeit. Die Betroffenen gäben ungern zu, dass sie sich einsam fühlten.
Junge Frauen sind der Umfrage zufolge häufiger von Einsamkeit betroffen als junge Männer. Das gilt auch für junge Menschen, die geschieden, verwitwet oder arbeitslos sind, einen niedrigen Schulabschluss haben, in mittelgroßen Städten leben oder einen Migrationshintergrund haben. Diese besonders einsamen Gruppen berichteten in der Bertelsmann-Umfrage häufig auch von einer besonders geringen Lebenszufriedenheit.
Insgesamt sind junge Leute in Deutschland mit ihrem Leben mäßig zufrieden. Die Lebenszufriedenheit lag bei 6,75 auf einer Skala von null (überhaupt nicht zufrieden) bis zehn (völlig zufrieden). Für die Studie wurden online vom 13. bis zum 29. März 2532 junge Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren befragt.
Einsamkeit sei ein unterschätztes Phänomen sei, das langfristig auch der Demokratie schaden könne, warnte Paus in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Montag. „Wer Vertrauen in die Gesellschaft verliert, verliert auch Vertrauen in die Demokratie.“ Dadurch nehme sowohl die politische Teilhabe als auch die Bereitschaft, wählen zu gehen ab. Weiter betonte die Ministerin, dass Einsamkeit laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) genauso so schädlich sei „wie Fettleibigkeit, Rauchen und Luftverschmutzung“.
Zur Forderung von Hilfsorganisationen nach einer stärkeren Finanzierung ihrer Angebote durch den Bund, sagte Paus, die Politik sei gut beraten zu prüfen, „was wir noch mehr und auch noch besser machen können“. Ihr Haus stellt demnach bisher 70 Millionen Euro für den Bereich zur Verfügung. Auch andere Bundesministerien seien bei dem Thema aktiv. Paus verwies zudem auf Angebote der Länder.
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