Das rechte Lager ist gestärkt aus der Europawahl hervorgegangen: Die AfD konnte deutliche Gewinne einfahren, in Frankreich, Italien und Österreich wurden ultrarechte Parteien stärkste Kraft. Die französischen Rechtspopulisten fügten dem Regierungslager eine herbe Niederlage zu, Präsident Emmanuel Macron löste daraufhin die Nationalversammlung auf und kündige Neuwahlen an. Stärkste Kraft im EU-Parlament bleibt aber die Europäische Volkspartei (EVP) um CDU und CSU.
Die AfD wurde in Deutschland mit mehr als 16 Prozent zweitstärkste Kraft hinter den Unionsparteien, wie Hochrechnungen von ARD und ZDF ergaben. In Frankreich erzielte Marine Le Pens rechtspopulistische Partei RN (Rassemblement National) etwa 32 Prozent der Stimmen, mehr als doppelt so viel wie Macrons Liste Renaissance. Auch in Österreich wurden die Rechtspopulisten der FPÖ mit 25,7 Prozent stärkste Kraft.
Frankreichs Präsident Macron sprach von einer Niederlage für alle Pro-Europäer. Die Wahlergebnisse seien „nicht gut für die Parteien, die Europa verteidigen“, sagte er in Paris. Er kündigte Parlamentsneuwahlen für den 30. Juni an.
Italiens ultrarechte Regierungschefin Giorgia Meloni lag mit ihrer Partei der Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) unterschiedlichen Prognosen zufolge mit zwischen 25 und 31 Prozent der Stimmen vorn. Ihr Koalitionspartner, die rechtsnationalistische Lega-Partei des stellvertretenden Regierungschefs Matteo Salvini, stürzte allerdings von den 34 Prozent bei der Europawahl 2019 auf nur noch sieben bis neun Prozent ab.
Mit den Zugewinnen aus Deutschland, Frankreich und weiteren Ländern wurde das Rechtsaußen-Lager insgesamt im Europaparlament stärker. Größte Formation bleibt aber die EVP. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die als europäische Spitzenkandidatin für die Konservativen angetreten war, beanspruchte in Brüssel den Sieg für das bürgerliche Lager. „Wir werden ein Bollwerk gegen Links- und Rechtsextreme errichten“, sagte sie bei einem Auftritt mit EVP-Chef Manfred Weber (CSU). Von der Leyen hofft nun auf eine zweite fünfjährige Amtszeit an der Kommissionsspitze.
Nach einer Prognose auf Grundlage der Ergebnisse aus 15 Mitgliedsländern kann die EVP mit 189 (bisher 176) der insgesamt 720 Sitze im neu gewählten Europaparlament rechnen. Zweitgrößte Fraktion sind demnach weiter die Sozialdemokraten mit 135 (bislang 139) Sitzen. Deutliche Verluste mussten Liberale und Grüne einstecken.
Die beiden Rechtsaußen-Fraktionen erzielten demnach Zugewinne: Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), in der unter anderem die Partei der italienischen Regierungschefin Meloni sitzt, kann mit leichten Gewinnen rechnen und kommt den Prognosen zufolge auf 72 (bislang 69) Sitze. Die zweite Rechtsaußen-Fraktion Identität und Demokratie (ID) wächst demnach von zuletzt 49 auf 58 Abgeordnete. In der ID sitzen unter anderen Le Pens Rechtspopulisten und die österreichische FPÖ.
Die AfD war nach verharmlosenden Aussagen des Spitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS erst kürzlich aus der Fraktion ausgeschlossen worden. Zuletzt hatten Affären um Krah und den AfD-Listenzweiten Petr Bystron die Partei belastet. Gegen beide wird wegen Vorwürfen der Einflussnahme aus Russland ermittelt.
Die derzeit fraktionslose Partei Fidesz des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban musste Teilergebnissen zufolge Verluste einstecken. Fidesz wurde mit 43 Prozent zwar stärkste Kraft, die Partei Tisza des Orban-Kritikers Peter Magyar konnte allerdings deutlich zulegen und kam auf 31 Prozent. Magyar ist nach eigenen Angaben in Gesprächen für einen Beitritt seiner Partei zur EVP-Fraktion im Europaparlament.
In den Niederlanden wurde die rechtspopulistische Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders zweitstärkste Kraft mit 17,7 Prozent. Die Niederländer hatten am Donnerstag als EU-weit erste ihre Stimmen für das Europaparlament abgegeben. ,Die Europawahl stand unter dem Eindruck der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen. Sorgen bereiten vielen Wählerinnen und Wählern auch der Klimawandel, die soziale Sicherheit sowie die Migration.
Insgesamt waren mehr als 360 Millionen Europäer zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag EU-weit nach ersten Schätzungen mit rund 51 Prozent etwa auf dem Niveau von 2019. In Deutschland war sie mit rund 65 Prozent deutlich höher.
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