Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Polizei im Umgang mit von Beginn an gewalttätigen Versammlungen gestärkt. Eine derartige Versammlung muss nicht erst aufgelöst werden, bevor die Polizei mit „polizeilichen Maßnahmen“ gegen die Teilnehmer vorgehen kann, wie das Gericht am Mittwoch im Zusammenhang mit Aktionen der linksautonomen Szene gegen den AfD-Bundesparteitag 2016 in Stuttgart entschied. (Az. 6 C 1.2)
Im Vorfeld des Parteitags, der am 30. April und 1. Mai 2016 auf dem Stuttgarter Messegelände stattfand, hatte die Polizei Kenntnis davon erlangt, dass 850 bis 1000 als gewaltbereit eingeschätzte Linksautonome Zufahrtswege blockieren wollten und schwere Ausschreitungen planten.
Am Morgen des 30. April 2016 besetzten denn auch mehreren hundert teilweise vermummte Personen einen Kreisverkehr in der Nähe der Stuttgarter Messe. Sie hatten Transparente und riefen Parolen gegen die AfD, errichteten aber auch Barrikaden und zündeten Pyrotechnik.
Auf dem Weg zum Messegelände wurden die Teilnehmer von Polizeikräften eingekesselt, Einzelne hinter dem Rücken gefesselt und in Bussen zu der in einer Messehalle eingerichteten Gefangenensammelstelle verbracht. Auch der Kläger wurde dort erkennungsdienstlich behandelt, nach Abnahme der Fesseln in einem Gefangenenbus eingeschlossen und am Abend zu dem 16 Kilometer entfernten Bahnhof in Esslingen verbracht.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht nur teilweise Erfolg. Insbesondere entschieden die Leipziger Richter, dass die Polizei vor ihrem Einschreiten die Versammlung nicht auflösen musste. Eine entsprechende polizeiliche Ansage soll den Veranstaltern und den Teilnehmenden eigentlich die Möglichkeit geben, die Versammlung von sich aus zu beenden oder sich zu entfernen.
Das gelte aber nur für eine Versammlung, die durch das Versammlungsrecht geschützt sein, betonte das Gericht. Auch bei der fraglichen Aktion habe es zwar Meinungsäußerungen gegeben. Vorrangiger Zweck sei es aber gewesen, „die Durchführung des AfD-Bundesparteitags mit unfriedlichen Mitteln zu verhindern oder zumindest erheblich zu stören“. Eine solche Blockade-Aktion stehe nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit, betonte das Bundesverwaltungsgericht.
Rechtswidrig sei es allerdings gewesen, dass der Kläger nach seiner Festnahme kein Trinkwasser erhalten und auch keine Möglichkeit bekommen habe, auf die Toilette zu gehen. Inwieweit die Fesselung des Klägers und seine Festnahme bis zum Abend gerechtfertigt waren, soll der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim nochmals prüfen.
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