Es war nach Überzeugung des Gerichts kein Unfall, sondern Mord: Das Landgericht im bayerischen Traunstein hat deshalb im spektakulären Mordfall Hanna den Angeklagten Sebastian T. am Dienstag zu einer neunjährigen Jugendstrafe verurteilt. Das Gericht folgte mit der Einstufung der Tat als Mord der Staatsanwaltschaft – die Verteidigung hatte dagegen auf Freispruch plädiert. Sie kündigte umgehend Revision zum Bundesgerichtshof an.
In dem Indizienprozess habe sich die Schuld des inzwischen 22-Jährigen erwiesen, sagte die Vorsitzende Richterin Jaqueline Aßbichler in ihrer Urteilsbegründung. „Es handelte sich nicht um einen Unfall.“ Die mögliche Höchststrafe nach dem Jugendstrafrecht waren zehn Jahre. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Jugendstrafe von neuneinhalb Jahren gefordert.
Obwohl das Gericht etwas darunter blieb, sagte der Anwalt der als Nebenkläger auftretenden Eltern von Hanna, er „finde das Urteil sehr gut“. Das Gericht habe den Fall akribisch aufgearbeitet. Für die Eltern sei nicht entscheidend, wie lange die Strafe ausfalle, sondern dass Aufklärung des Tods ihrer Tochter erfolge.
Die 23 Jahre alte Studentin war nach einem Besuch des Musikklubs „Eiskeller“ in Aschau am 3. Oktober 2022 tot aus dem Fluss Prien geborgen worden. Der Angeklagte war zur nächtlichen Tatzeit als Jogger vorbeigekommen. „Es war eine Spontantat“, sagte die Richterin. Das Aufeinandertreffen sei purer Zufall gewesen.
Nach Überzeugung des Gerichts überfiel der als verschlossen geltende junge Mann, der noch keine sexuellen Erfahrungen hatte, Hanna aus sexuellen Motiven und warf sie in den Fluss, wo sie ertrank. Zu einer Vergewaltigung Hannas war es aber nicht gekommen – der Richterin zufolge hatte T. womöglich Angst, entdeckt zu werden.
Nach der dem Urteil widersprechenden Überzeugung der Verteidigung könnte Hanna in den Fluss gefallen und ertrunken sein. Ein Gutachter bestritt aber, dass Verletzungen an der Leiche vom Treiben im Fluss herrühren könnten.
Die Vorsitzende Richterin warf der Verteidigung des Angeklagten T. vor, durch Manipulationen, Lügen und ein fragwürdiges Gegengutachten die Öffentlichkeit zugunsten des Angeklagten zu beeinflussen versucht zu haben. „Es wurde versucht, das Urteil auf die Straße zu bringen, die öffentliche Meinung zu manipulieren und damit auf die Richter Druck auszuüben.“
Tatsächlich sorgte der Fall für großes öffentliches Aufsehen. Schon lange vor Beginn der Urteilsverkündung standen am Dienstag Zuschauer vor dem Gericht, um Zutritt zu bekommen. Der Verhandlungssaal war überfüllt.
Die Richterin sagte, die Verletzungen der tot zwölf Kilometer durch den Fluss getriebenen Hanna lassen sich den Sachverständigen zufolge nicht durch das Treiben im Wasser, sondern nur durch einen Angriff erklären. T. sei dafür verantwortlich. Dieser habe zwar im Prozess geschwiegen. Er habe die Tat aber gegenüber Freunden und einem Mithäftling gestanden. Anders als von der Verteidigung behauptet, seien diese Geständnisse glaubwürdig. Die Richterin sagte, die Gesamtbetrachtung zeige: „Der Angeklagte war der Täter.“
Dagegen beharrte die Verteidigung von T. auch nach der Urteilsbegründung auf der Darstellung, es handle sich um einen Unfall. Verteidigerin Regina Rick sagte vor Journalisten: „Das ist meines Erachtens die Verurteilung eines Unschuldigen.“ Es sei für sie unerklärlich, wie der Gerichtsgutachter ausschließen wolle, dass sich Hanna die an ihrem Leichnam gefundenen Verletzungen beim Treiben durch den reißenden Fluss zugezogen habe.
Rick zeigte sich zuversichtlich, vor dem Bundesgerichtshof mit einer Revision Erfolg haben zu können. Dies begründete sie auch mit einem Mailaustausch zwischen Gericht und Staatsanwaltschaft, an dem die Verteidigung nicht beteiligt war. Der BGH werde so etwas nicht akzeptieren. „Ich glaube nicht, dass das Urteil halten wird.“ Mit einem Befangenheitsantrag wegen dieses Mailaustauschs war Rick allerdings im Prozess gescheitert – er wurde als unbegründet zurückgewiesen.
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