Deutscher Verdächtiger in Fall Maddie schweigt vor Gericht

Im Braunschweiger Prozess gegen den Verdächtigen im Fall des 2007 in Portugal verschwundenen britischen Mädchens "Maddie" McCann wegen anderer Taten ist die Anklage verlesen worden.

Im Prozess gegen den deutschen Verdächtigen im Fall des 2007 in Portugal verschwundenen britischen Mädchens Madeleine „Maddie“ McCann wegen anderer Taten ist am Freitag im zweiten Anlauf die Anklage verlesen worden. Christian B. würden drei brutale Vergewaltigungen und zweifacher sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen, sagte die Staatsanwältin vor dem Landgericht im niedersächsischen Braunschweig. B. selbst schwieg, seine Verteidigung meldete Zweifel an der Beweisführung der Anklage an.

Der Prozess hatte vor einer Woche begonnen. Die Verhandlung wurde aber noch vor Verlesung der Anklage wegen eines Befangenheitsantrags der Verteidigung gegen eine Schöffin vertagt. Dem Antrag gab das Gericht wegen Zweifel an deren Rechtsstaatstreue statt, die Schöffin wurde vor der Verhandlung am Freitag daher ausgetauscht.

Der derzeit ohnehin wegen einer Verurteilung wegen Vergewaltigung in Strafhaft sitzende B. soll bei Einbrüchen in Ferienwohnungen und ähnliche Objekte in Portugal drei Frauen vergewaltigt haben. Außerdem wird ihm von der Staatsanwaltschaft sexueller Missbrauch von zwei Mädchen an einem Strand sowie auf einem Spielplatz vorgeworfen. Sämtliche Taten sollen sich zwischen 2000 und 2017 ereignet haben.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig betrachtet B. auch als Mordverdächtigen im Fall der 2007 aus einem Ferienappartement in Portugal verschwundenen Maddie. Anklage erhob sie deshalb bislang aber nicht. Maddie war verschwunden, während ihre Eltern in einem nahen Restaurant zu Abend aßen. Trotz großangelegter Fahndungen und zahlreicher Aufrufe ihrer Eltern wurde der Fall nie aufgeklärt, Maddie blieb unauffindbar.

Bei den drei Vergewaltigungen sei B. brutal und gewaltsam vorgegangen und habe die Opfer unter anderem gefesselt und ausgepeitscht, sagte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft bei der Verlesung der Anklage. Er habe dies getan, um sich an deren Schmerz und Angst „zu erfreuen“. Auch habe er „brutal und hasserfüllt“ gehandelt.

Zwei der von B. selbst bei den Taten gefilmten Opfer sind demnach bislang nicht identifiziert, es handelt sich um eine etwa 70- bis 80-jährige Frau und ein höchstens 14-jährige Jugendliche. Außerdem soll der mit einem Messer bewaffnete Beschuldigte 2004 eine junge Irin in ihrem Appartement überfallen und gequält haben. Die Frau habe extreme Schmerzen und Todesangst durchlitten, sagte die Staatsanwältin weiter.

Ferner soll der Beschuldigte demnach in den Jahren 2007 und 2017 an sich selbst sexuelle Handlungen vor zwei Mädchen im Alter von zehn und elf Jahren vorgenommen haben. In diesen Fällen geht es daher um Missbrauch von Kindern.

B. selbst äußerte sich nicht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. „Der Angeklagte macht von seinem Schweigerecht Gebrauch“, sagte sein Verteidiger Friedrich Fülscher am Freitag vor Gericht. Zugleich meldete er massive Zweifel an der Beweisführung der Staatsanwaltschaft und der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen an.

Zwei der lediglich auf Videos dokumentierten Vergewaltigungen hätten zudem zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt stattgefunden und könnten womöglich bereits verjährt sein. Am Ende der Beweisaufnahme werde der Angeklagte freizusprechen sein, fügte Fülscher hinzu.

Der Verteidiger kritisierte zugleich erneut eine „Vorverurteilungskampagne“ aufgrund der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft im Fall Maddie, die das Verfahren beeinflussen könnten. Dieser Verdacht gegen seinen Mandanten werde von der Staatsanwaltschaft seit Jahren gegenüber den Medien „gebetsmühlenartig wiederholt“. Einblick in Ermittlungsergebnisse erhalte er aber nicht.

Die Verteidigung stellte am Freitag vor Gericht zudem zahlreiche Beweisanträge und machte den Ermittlern schwere Vorwürfe. So seien die Ermittlungsakten teils unvollständig, was gegen den Grundsatz eines faires rechtsstaatlichen Verfahrens verstoße. Auch bestehe der Verdacht, dass das Bundeskriminalamt (BKA) eine frühere Zelle von B. abhören ließ. Eine entsprechende Aussage einer früheren BKA-Mitarbeiterin liege ihm vor.

Deutschen Ermittlern zufolge hielt sich B. früher regelmäßig an der Algarve in Portugal auf, um dort Gelegenheitsarbeiten zu übernehmen sowie in Ferienanlagen und Hotels einzubrechen. Dabei soll er auch Sexualverbrechen begangen haben. B. lebte früher unter anderem auch in Braunschweig, daher ist das Landgericht in der niedersächsischen Stadt für ihn zuständig.
© AFP

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