Ärztestreik geht weiter – Kritik an Forderung nach höheren Arzthonoraren

Am zweiten Tag der Praxisschließungen hat sich der Ton zwischen den Ärzteverbänden und Minister Karl Lauterbach (SPD) verschärft.

Am zweiten Tag der bundesweiten Praxisschließungen hat sich der Ton zwischen den Ärzteverbänden und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verschärft. „Wir haben einen langen Atem“, erklärte der Vorsitzende des Virchowbunds, Dirk Heinrich, am Donnerstag zu den Ärztestreiks. Lauterbachs Reaktion zeige, „dass die Proteste richtig und wichtig sind“. Der Minister hatte zuvor die Streiks erneut kritisiert und sich gegen höhere Arzthonorare gewandt. Auch der GKV-Spitzenverband wies Forderungen nach mehr Geld zurück.

Mehrere tausend Arztpraxen in Deutschland bleiben diese Woche von Mittwoch bis Freitag geschlossen. Der Virchowbund, der die niedergelassenen Haus- und Fachärzte vertritt, sowie 23 weitere Berufsverbände hatten die Praxen zwischen Weihnachten und Neujahr zu Streiks aufgerufen. Der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116 117 bleibt aber aufrechterhalten.

Lauterbach sagte am Mittwochabend im ZDF, er verstehe nicht, warum gestreikt wird. Es gebe derzeit eine „riesige Krankheitswelle“ in der Bevölkerung. „Der Streik bringt überhaupt nichts nach vorne“, kritisierte der Minister. Er verwies darauf, dass für Januar bereits ein Gipfel mit Ärztevertretern verabredet sei.

Mit Blick auf die Arzthonorare fügte Lauterbach hinzu: „Die Forderung nach mehr Geld halte ich nicht für begründet.“ Mit Ausnahme der Schweiz werde nirgendwo in Europa in den Praxen so viel verdient wie in Deutschland. Gerade viele Facharztgruppen verdienten im internationalen Vergleich „ausgezeichnet“. Bei anderen Berufsgruppen im Gesundheitssystem, etwa den Pflegekräften, bestünde mehr Bedarf. Die Praxen bräuchten bessere Arbeitsbedingungen, weniger Bürokratie und eine gerechtere Verteilung des Geldes.

Der Virchowbund-Vorsitzende Heinrich erklärte, es gehe „entgegen der Annahme von Professor Lauterbach“ nicht um die Steigerung von Arzteinkommen, „sondern um eine ausreichende und nachhaltige Finanzierung der bestehenden ambulanten Strukturen“. Diese Strukturen seien in akuter Gefahr, weil der ambulante Bereich der am meisten unterfinanzierte Sektor im Gesundheitswesen sei.

„Internationale Vergleiche, wie Lauterbach sie anstellt, sind da nicht zielführend, weil Deutschland traditionell ein solides und flächendeckendes ambulantes Gesundheitswesen hat“, so Heinrich. Während der Corona-Pandemie sei dies auch der Garant dafür gewesen, „dass die Krankenhäuser nicht wie in anderen Ländern überfüllt und überfordert waren“. Heinrich kritisierte, dass die Medizinischen Fachangestellten im Gegensatz zur Pflege und zu Teilen der Krankenhausverwaltung keinen Corona-Bonus erhalten hätten.

Der Virchowbund-Vorsitzende sagte, die Ärzteschaft werde der Einladung Lauterbachs zu einem Krisentreffen am 9. Januar folgen, dort müssten aber konkrete Ergebnisse erzielt werden. Ganz konkret gehe es „um die Entbudgetierung der Haus- und Fachärzte“, sagte Heinrich dem RBB-Sender Radio Eins. Es sei niemandem zu erklären, „warum eine Facharzt in Hamburg nur 70 Prozent seiner Leistungen bezahlt bekommt, aber in Bayern 96 Prozent“. Das gleiche gelte bei den Hausärzten.

Die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), Doris Pfeiffer, sagte den RND-Zeitungen zu dem von der Ärzteschaft ausgerufenen Notstand in den Praxen: „Ich sehe keinen Kollaps, schon gar nicht aus finanziellen Gründen.“ Die Brutto-Reinerträge der niedergelassenen Ärzte seien beispielsweise in den vergangenen Jahren im bundesweiten Durchschnitt auf über 19.000 Euro pro Monat gestiegen.

„Außerdem muss deutlich gesagt werden: Was Ärzte oder Apotheker mehr bekommen wollen, müssen die Supermarktkassiererin und der Lkw-Fahrer mit ihren Krankenkassenbeiträgen finanzieren“, sagte Pfeiffer weiter. Auch sie litten unter den gestiegenen Preisen. Pfeiffer wandte sich auch gegen weitere Finanzhilfen für die Kliniken: „Es kann doch nicht sein, dass die Beitragszahlenden zusätzliches Geld in ein Kliniksystem pumpen, in dem 30 bis 40 Prozent der Betten dauerhaft leer stehen.“
© AFP

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