Krefeld – Sie ist eine spannende, späte Entdeckung – Marion Baruch. Die Kunstwelt schaut seit wenigen Jahren wieder sehr genau auf das Werk der inzwischen 94-jährigen Künstlerin. Nach einer ersten Werkschau 2020 im Kunstmuseum Luzern, einer ersten Ausstellung 2022 in Deutschland, in der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, widmen die Kunstmuseen Krefeld Marion Brauch ihre erste Einzelausstellung im Rheinland. Sie würdigen damit eine der wichtigen weiblichen Positionen, die ihre künstlerischen Wurzeln in den 1960er-Jahren hat. Während die Arbeiten der Künstlerin in Haus Lange zu sehen sein werden, bespielt Anna K.E., Jahrgang 1986, das benachbarte Haus Esters – zusammen präsentieren die Kunstmuseen Krefeld ab 6. Oktober 2024 so beide Künstlerinnen unter dem Titel „Der menschliche Maßstab“ als Dialog-Ausstellung.
Baruchs Interesse gilt dem Verhältnis zwischen Innen und Außen, Körper und Raum, Subjekt und System. Transparenz, Auslassungen, Leere sind zentrale Merkmale ihrer Skulpturen, Installationen und Aktionen. Geradezu spielerisch verbindet sie auf diese Weise Raum und Leere in ihren Werken. Bereits seit den 1960er-Jahren beschäftigt sich Baruch mit Kleidung und der Beziehung zum Körper. Für ihre Installation verarbeitet sie Textilabfälle der Mailänder Prêt-à-Porter-Industrie. Die Stoffbahnen mit ihren herausgeschnittenen Formen bleiben als Überbleibsel der glänzenden Modewelt. Der eigentlich zu entsorgende „Abfall“ erhält durch seine Präsentation eine neue Eigenständigkeit und Assoziationsfläche. Eine ihrer Arbeiten wird bereits jetzt in der Ausstellung „Sammlung in Bewegung“ im Kaiser-Wilhelm-Museum gezeigt.
In der Tradition, für die Bauhaus-Villen eigens ortsspezifische Werke zu schaffen, wird sich Anna K.E. auf die Architektur und die Atmosphäre von Haus Esters intensiv einlassen. Sie entwickelt architektonische Konstruktionen und skulpturale Modelle. Eigene Aktionen hält sie im Film fest, um der Beziehung zwischen Körper und sozialem Umraum nachzuspüren. Die moderne Architektur des frühen 20. Jahrhunderts spielt stets eine zentrale Rolle in ihrem Werk. Spielerisch und anarchisch zugleich durchbricht Anna K.E. Normen und festgelegte soziale Gefüge. Nach ihrem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf erhielt sie zahlreiche internationale Preise und Ausstellungen und bespielte 2019 den georgischen Pavillon auf der Biennale Venedig.
Das Jahresprogramm der Kunstmuseen Krefeld im Überblick:
Haus Lange Haus Esters
Museum grenzenlos. Kunst-Design / Dünkirchen-Krefeld
28. April bis 8. September 2024
Die Hafenstadt an der französischen Nordseeküste und die Samt-Seidenstadt feiern 2024 ihre 50-jährige Städtepartnerschaft. Zudem verbindet Krefeld und Dünkirchen das Zusammentreffen von Kunst, Design und Industrie. In einem Sammlungstausch von Kunstmuseen Krefeld und FRAC „Grand Large – Hauts-de-France“ in Dünkirchen wird eine Auswahl zentraler Werke von internationaler, zeitgenössischer Kunst und Design aus der FRAC-Sammlung in die bauhaus-Villen Haus Lange und Haus Esters zu sehen sein. Projekte im Krefelder Stadtraum und in Schulen ergänzen die Ausstellung. Im Jahr 2025 wird eine Ausstellung mit Werken der Sammlung der Kunstmuseen Krefeld in Dünkirchen folgen.
Kaiser-Wilhelm-Museum
Walter Pichler trifft Friedrich Kiesler
22. November 2024 bis 23. März 2025
Das Ausstellungsprojekt „Visionäre Räume“ wird zwei bedeutende Avantgardisten unterschiedlicher Generationen, Friedrich Kiesler (1890-1965) und Walter Pichler (1936-2012), präsentieren. Der österreichisch-US-amerikanische Architekt Kiesler, der sich nach seinen Ausstellungsdisplays und Architekturvisionen der 1920er-Jahre vermehrt der Skulptur zuwandte, trifft auf den österreichischen Bildhauer Pichler. Dieser setzte in den frühen 1960er-Jahren mit seinen als alternative Wohnräume deklarierten Plastiken maßgebliche und international rezipierte Impulse. Beide begannen als Pioniere früh, herkömmliche Bauweisen in Frage zu stellen und dazu experimentell Alternativen zu entwickeln: biomorphe, skulpturale Architekturen oder architektonische Skulpturen. Das interdisziplinäre Kollektiv „Raumlabor Berlin“ übernimmt die künstlerisch-architektonische Gestaltung der Ausstellung. Mit circa 120 internationalen Leihgaben, darunter nie gezeigte Archivalien und Objekten, werden sechs thematischen Stationen sowohl zentrale inhaltliche als auch formale Phänomene vergleichend vorstellen. Die Ausstellung ist eine Zusammenarbeit der Kunstmuseen Krefeld mit dem Belvedere Museum in Wien.
Kaiser-Wilhelm-Museum
Liora Epstein im Dialog mit Jürgen Drescher und Reinhard Mucha.
Die Bar als Kunstwerk und sozialer Ort – Sammlungssatellit Nummer 9
24. Mai bis 6. Oktober 2024
Dieser Sammlungssatellit nimmt das frühe Gemeinschaftswerk „Verkaufen“ (1981) der Künstler Jürgen Drescher und Reinhard Mucha zum Ausgangspunkt für eine Ausstellung über künstlerische Möglichkeiten und Formen der Teilhabe. Die außergewöhnliche, als Bar konzipierte Installation, die ursprünglich anlässlich des jährlichen Rundgangs an der Kunstakademie Düsseldorf entstanden ist, gelangte 2022 als Schenkung in die Kunstmuseen Krefeld. Die Künstlerin Liora Epstein, die an der Schnittstelle von Mode, bildender Kunst und Performance arbeitet, wird mit einer gleichfalls aktivierbaren sowie nutzbaren Inszenierung auf die Arbeit reagieren. Auch sie hat eine raumfüllende, in eine vielschichtige Erzählung eingebettete Bar als Abschlussarbeit an der Kunstakademie Düsseldorf geschaffen, den sie für den Sammlungssatelliten anpassen und erweitern wird.
Kaiser-Wilhelm-Museum
Sammlungspräsentation
24. Mai bis 6. Oktober 2024
Die Sammlungspräsentation auf der zweiten Etage wird sich dem Thema der Skulptur ab 1900 widmen. Sie untersucht anhand des Sammlungsbestandes gattungsübergreifende Fragestellungen und die Ausweitung des klassischen Skulpturbegriffs im 20. und 21. Jahrhundert.
Kaiser-Wilhelm-Museum
ganzjährig
Sammlung in Bewegung
Mit Sammlung in Bewegung bespielen die Kunstmuseen Krefeld das erste Obergeschoss des Kaiser-Wilhelm-Museums dauerhaft mit 15 wechselnden thematischen Räumen. Ob Pop Art oder Hauptwerke des rheinischen Expressionismus, Madonnen der italienischen Renaissance oder einzelne Künstlerräume, angewandte Kunst und Design oder die künstlerische Auseinandersetzung mit Alltagsphänomenen – die vielschichtige Krefelder Sammlung wird dort unter immer wieder neuen Gesichtspunkten präsentiert. Weitere Informationen und Programmpunkte stehen unter www.kunstmuseenkrefeld.de.