Als Reaktion auf das Karlsruher Urteil zur Staatsfinanzierung will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Ausgaben des Bundes auf den Prüfstand stellen. Steuererhöhungen zur Finanzierung der durch das Urteil entstandenen 60-Milliarden-Euro-Lücke schloss der Minister am Donnerstag im Bundestag kategorisch aus. Auch ein Aussetzen der Schuldenbremse lehnte er ab. „Wir werden mit weniger Geld wirksamere Politik machen müssen als in den vergangenen Jahrzehnten“, sagte er.
Mit Blick auf die Forderung nach Steuererhöhungen sagte Lindner: „Wir haben kein Einnahmeproblem, wir haben ein Problem damit, richtige Prioritäten zu setzen.“ Dies müsse in der künftigen Haushaltspolitik des Bundes besser werden. „Wir wollen die neu gewonnene Rechtsklarheit nicht nutzen, um die Schuldenbremse zu schwächen, sondern um sie zu stärken.“
Hintergrund ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch, wonach 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen, die ursprünglich zur Bewältigung der Corona-Pandemie gedacht waren, nicht rückwirkend in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) verschoben werden durften. Dieses Geld fehlt nun für Projekte zum Klimaschutz und zum ökologischen Umbau der Wirtschaft, aber auch für weitere geplante Vorhaben.,Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) forderte die Koalition zu einer haushaltspolitischen Wende auf. „Sie kommen nicht mehr umhin zu akzeptieren, dass Sie die Prioritäten des Haushalts neu ordnen müssen“, sagte Merz in einer Aktuellen Stunde des Bundestags an die Koalition gerichtet. Nach der Niederlage vor dem Verfassungsgericht müsse die Regierung zu einer „verfassungskonformen Gesetzgebung“ zurückkehren.
Für Steuererhöhungen warb nach dem Urteil unter anderem die stellvertretende SPD-Vorsitzende Serpil Midyatli. „Die SPD wäre bereit, grundsätzliche Verteilungsfragen neu zu stellen, um die Einnahmeseite zu verbessern. Zum Beispiel durch die Erhöhung von Vermögens- und Erbschaftssteuer“, sagte sie der „Bild“-Zeitung. Zudem wird aus SPD und Grünen eine Lockerung der geltenden Schuldenbremse gefordert.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge zeigte sich im ZDF überzeugt, dass die Ampel-Parteien „hierfür eine Lösung finden werden“. Zur Finanzierung könnten unterschiedliche Möglichkeiten diskutiert werden. Die Schuldenbremse biete Spielraum beispielsweise über Infrastrukturgesellschaften. Auch könnten Subventionen abgebaut werden, um weitere Spielräume im Haushalt zu schaffen.
Die Grünen-Politikerin rechnet nicht mit einem neuen Streit in der Ampel. „Wir wollen das jetzt gemeinsam und solidarisch machen.“ Alle drei Parteien stünden in der Verantwortung, nun „leise und geräuschlos eine Lösung zu finden“.
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf der Koalition im Bundestag vor, ein „finanzpolitisches Trümmerfeld“ verursacht zu haben. Finanzminister Lindner hätte den nun von Karlsruhe einkassierten Nachtragshaushalt „niemals zulassen dürfen“. AfD-Haushälter Peter Boehringer sagte, die Verfassungswidrigkeit des Etats sei von vornherein absehbar gewesen: „Man kann es nur mit frechem Vorsatz erklären, dass die Ampel-Regierung zwingende Grundsätze der Verfassung missachtet hat.“
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