Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begrüßte den Sturz Assads als „gute Nachricht“. Außenministerin Annalena Baerbock warnte, das Land könne „in die Hände anderer Radikaler“ fallen. Aus der Union kam die Forderung, keine weiteren syrischen Flüchtlinge aufzunehmen.
Scholz erklärte am Sonntag, Assad habe „sein eigenes Volk auf brutale Weise unterdrückt, unzählige Leben auf dem Gewissen und zahlreiche Menschen zur Flucht aus Syrien getrieben“. Viele seien auch nach Deutschland gekommen. Ende 2023 lebten laut Statistischem Bundesamt rund 712.000 syrische Schutzsuchende in der Bundesrepublik.
Viele Syrerinnen und Syrer in Deutschland feierten den Sturz Assads. In Berlin etwa versammelten sich nach Angaben der Polizei rund 4000 Menschen im Stadtteil Kreuzberg, schwenkten syrische Flaggen und jubelten.
Kämpfer unter Führung der islamistischen Gruppe Hajat Tahrir al-Scham und mit ihr verbündete Milizen hatten in der Nacht zum Sonntag die Einnahme der Hauptstadt Damaskus und die Flucht von Assad verkündet. Scholz forderte, jetzt komme es darauf an, dass in Syrien „schnell Recht und Ordnung wieder hergestellt werden“. Alle Religionsgemeinschaften und alle Minderheiten müssten jetzt und in Zukunft Schutz genießen.
Außenministerin Baerbock forderte zudem einen „inklusiven politischen Prozess“, der einen Ausgleich zwischen den Gruppen schaffe. „Wenn die „zentralen Akteure von innen und von außen nun endlich im Sinne der Menschen in Syrien handeln, könnte der seit Jahren ersehnte und zugleich so schwierige Weg zum Frieden beginnen.“
Scholz und Baerbock halten eine politische Lösung im Einklang mit der Resolution 2254 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen für möglich. Die 2015 verabschiedete Resolution sah die Ausarbeitung einer Verfassung sowie Wahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen vor.
Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth warnte davor, die „blutige säkulare Diktatur“ durch eine religiös-fundamentalistische Diktatur zu ersetzen. Syrien sei ein multiethnischer und multireligiöser Staat, erklärte Roth im Onlinedienst X. Das Land habe „eine echte Chance auf Frieden, Versöhnung und Stabilität verdient“. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht ein „Momentum für Stabilität“, wie er dem „Spiegel“ sagte.
Unionsfraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) forderte in der „Rheinischen Post“ den Stopp der weiteren Aufnahme syrischer Flüchtlinge. „Wir haben in den letzten Jahren unsere humanitären Verpflichtungen übererfüllt“, sagte sie. Sollte es irgendwann zu einer Befriedung in Syrien kommen, entfalle für viele Syrer auch „die Schutzbedürftigkeit und damit der Grund für ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland“, fügte Lindholz hinzu.
Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt (CDU), hält „eine zweite große Flüchtlingswelle zurzeit für unwahrscheinlich“. Ausgeschlossen werden könne das aber nicht, „wenn die scheinbar schon laufenden Gespräche zwischen den Gruppen scheitern sollten und der Bürgerkrieg weiter an Intensivität zunimmt“, sagte er der „Rheinischen Post“.
AfD-Fraktionsvize Stefan Keuter forderte von der Bundesregierung in der „Welt“ umgehend Maßnahmen, „um einen weiteren Flüchtlingsansturm auf die deutschen Grenzen zu verhindern“.
Roth warnte „vor einer populistischen Debatte mit dem Tenor: Jetzt müssen alle sofort wieder zurück“. „Ich fürchte, dass neben der AfD und dem BSW auch einige in der Union das im Wahlkampf fordern werden“, sagte er dem „Spiegel“.
Das Bundesinnenministerium in Berlin erklärte, ob sich aus der „rasch verändernden Lage“ in Syrien Fluchtbewegungen in der Region oder aus der Region hinaus ergäben, sei zur Zeit noch nicht vorhersehbar. Ebenso wenig sei abzuschätzen, welche Auswirkungen die sich verändernde Lage auf die Möglichkeiten von syrischen Flüchtlingen zur Rückkehr in ihre Heimat haben werde.
Die Grünen-Fraktionsvizechefin Agnieszka Brugger forderte eine harte Strafverfolgung von Assads Anhängern. „Die internationale Gemeinschaft muss dafür sorgen, dass alle Schergen des Assad-Regimes für ihre Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen endlich mit voller Härte zur Verantwortung gezogen werden“, sagte sie der „Welt“.
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