Meinungsverschiedenheiten zu Nahost bei Scholz-Besuch in der Türkei

Bei einem Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Istanbul sind erneut Meinungsverschiedenheiten mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu den Konflikten im Nahen Osten deutlich geworden.

„Es ist kein Geheimnis, dass wir da auch unterschiedliche Sichtweisen auf Israel haben“, sagte Scholz am Samstag. Er hob bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Erdogan jedoch auch Gemeinsamkeiten hervor.

„Der mörderische Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober war ein furchtbares Verbrechen und hat natürlich auch die Bewohnerinnen und Bewohner in Gaza in ein furchtbares Unglück gestürzt“, fuhr Scholz fort. „Klar ist: Gegen einen solchen Angriff muss man sich verteidigen können.“

Der türkische Staatschef sagte indessen: „Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um den nötigen Druck auf Israel auszuüben.“ Der „aggressiven Politik Israels“ müsse „ein Ende“ gesetzt werden.

Erdogan sprach von einem „von Israel in den palästinensischen Gebieten verübten Völkermord“. Der Bundeskanzler wies den Vorwurf zurück. „Deutschland hat nicht die Einschätzung, (…) dass der Vorwurf des Völkermords berechtigt und gerechtfertigt ist“, sagte er. Es könne jedoch „kein geteiltes Leid“ geben, Opfer von Kriegen müssten überall auf der Welt als solche betrauert werden.

Ergodan ist seit Beginn des Krieges im Gazastreifen einer der schärfsten Kritiker Israels. Die radikalislamische Hamas, die mit ihrem Großangriff auf Israel im Oktober 2023 den Krieg ausgelöst hatte, betrachtet Erdogan als „Widerstandsgruppe“. Den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu verglich er mit Adolf Hitler.

Scholz betonte in Istanbul jedoch auch Gemeinsamkeiten. „Wir sind uns einig, dass Deeskalation, ein Waffenstillstand und politische Lösungen notwendig sind, um einen Flächenbrand im Nahen Osten zu verhindern.“ Es brauche einen „glaubwürdigen politischen Prozess hin zu einer Zweistaatenlösung“. Der Kanzler sagte: „Darum bemühen wir uns weiterhin, trotz aller Rückschläge, die wir auch sehen.“

Die Zweistaatenlösung sieht einen eigenen Staat für die Palästinenser vor, der friedlich an der Seite Israels koexistiert.,Scholz forderte, „dass jetzt die Möglichkeiten für einen Waffenstillstand genutzt werden müssen mit der Freilassung der Geiseln, die die Hamas genommen hat“. Es gebe einen Vorschlag zur Freilassung der Geiseln.

Mit Blick auf den Libanon verwies Scholz auf die UN-Resolution 1701. Diese sieht unter anderem vor, dass sich die pro-iranische Hisbollah-Miliz aus dem Grenzgebiet zu Israel zurückzieht. Wenn die Resolution eingehalten und umgesetzt werde, „sind wir ganz schnell in der Situation, dass der Libanon nicht die Gefahr läuft, dass dort jetzt ein langanhaltender Krieg stattfindet“.

Erdogan lobte derweil die „Bemühungen“ von Scholz, die deutschen Beschränkungen bei Waffenlieferungen an die Türkei aufzuheben. Die Türkei hofft auf Fortschritte beim Kauf von 40 Flugzeugen des Typs Eurofighter.

„Die Türkei ist Mitglied der Nato und deshalb gibt es von uns immer wieder auch Entscheidungen, in denen es zu konkreten Lieferungen kommt“, sagte Scholz. Das Projekt, bei dem nun Verhandlungen begonnen worden seien, werde von der britischen Regierung vorangetrieben. Für die Lieferung von Eurofightern müssen die vier europäischen Länder, die an ihrem Bau beteiligt sind – Großbritannien, Deutschland, Italien und Spanien -, zustimmen.

Der „Spiegel“ hatte kürzlich berichtet, Berlin habe grünes Licht für umfangreiche Waffenlieferungen an Ankara gegeben. Die Bundesrepublik hatte die Waffenexporte nach der türkischen Offensive in Syrien im Jahr 2016 deutlich reduziert.
© AFP

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